Ausführliches Inhaltsverzeichnis

Christian Grethlein

Praktische Theologie

Berlin/Boston 2012

 

Ausführliches Inhaltsverzeichnis

von Frithard Scholz

 

Lesetechnische Vorbemerkung:

Das folgende Ausführliche Inhaltsverzeichnis ist auch als extensiver abstract aufzufassen.

  • Es nutzt der Übersichtlichkeit halber gängige Abkürzungen (wie „PT“ = Praktische Theologie u.ä.), die selbsterklärend sein dürften; werkspezifisch v.a. „KdE“= Kommunikation des Evangeliums. „KMU[I bis IV]“ bezeichnet die 1972/74 bis 2002/04 von der EKD im Zehnjahresrhythmus durchgeführten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen (publiziert unter den bekannten Titeln „Wie stabil ist die Kirche?“ bis „Leben in der Vielfalt der Lebensbezüge“)
  • „...“ markieren in der Regel Formulierungen der referierten Autoren, ‚...’ Formulierungen von Grethlein. Eine gewisse Uneinheitlichkeit dieser Zeichensetzung ist in Kauf genommen. Das Zeichen „>“ steht als Kürzel für Übergänge (z.B. ‚führt zu / entwickelt sich zu’ u.ä.), gelegentlich auch für ‚stärker als’. In Zweifelsfällen ist die Bedeutung im Einzelfall unschwer durch Rückgriff auf die entsprechende Passage des Werks selber zu klären.

 

Einleitung

§ 1

Praktische Theologie als Theorie der Kommunikation des Evangeliums in der Gegenwart

  • Drei Vorgänger-Lehrbücher: Martin Schian (1922), Otto Haendler (1957), Dietrich Rössler (1986)

 

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1.Einsichten der Vorgänger

1.1.Keine Anwendungswissenschaft

  • Schian: PT mit eigener Lösung der Spannung von Normativität und Empirie; Bedeutung der Pfarrberufs

1.2.Kirchenbezug

  • Schian: geschichtliches Verständnis des „gesamten kirchlichen Handelns“, praxisnah, wenig systematisch / Haendler: Kirche „wirkende Gestalt des Geistes Gottes auf Erden“, über „sichtbare Kirche“ hinaus / Rössler: Aufnahme empirisch fundierter systematisch-theologischer Theorie des „Christentums“ in dreifacher Gestalt

1.3.Impulse

 

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2.Probleme und Differenzierungen

2.1.Pastoraltheologische Engführung

  • Rösslers Grundriß brillant, unterbestimmt Diakonie, christliche Publizistik, Familie / Bedeutungsverlust des „Belehrens“ angesichts „Religionsproduktivität heutiger Menschen“, Transformation zur „Theorie der KdE“ angesagt; steigender Frauenanteil am Pfarramt förderlich

2.2.Kirchliche bzw. christentumstheoretische Engführung

  • reale Verhältnisse in Deutschland haben Theorie ‚überlaufen’:
  • Marginalisierungsprozess von Kirche als Institution
  • Verständnis von „Religion“ nur unter Bezug auf „Kirchenorganisation“? „multiple religiöse Identität“!
  • Wegbrechen basaler „Transzendenzvorstellungen“ qua Wende 1989

 

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3.Eigener Ansatz: Theorie der Kommunikation des Evangeliums in der Gegenwart

  • neue Ausgangspunkte: Dekomposition der Einheit ‚Kirche-Christentum-Religion’’, Versinken der Präferenz von face-to-face-Kommunikation (8)
  • Dialogizität des „Kommunikations“-Paradigmas, Beachtung der korrespondierenden Sozialformen! (8)

3.1.Praktisch-theologisch

  • KdE: theologisch präzisere Bestimmung des – christlichen! – Gegenstands von PT / empirisch feiner differenzierend als Rösslers Dreigestaltigkeits-Modell / praktisch-theologisch Hinweis auf Korrespondenzgeschehen und Pastoral-Unabhängigkeit (9)

3.2.Interdisziplinär

  • mehrperspektivische Anschlussfähigkeit der PT, insbes. „Beobachtungs“-Bezug > Persönlichkeits-„Introspektion“ (9)

3.3.Theologisch

  • Bezug auf: Dalferth / auf Rezeptionsästhetik / auf biblische „Themen und Konzepte“ (kritische Reflexion des Interpretationsprozesses) (10)

3.4.Theoriecharakter

  • PT Praxis-Reflexion und Berufstheorie über Pastoralberuf hinaus

 

 

1. Teil: Problemgeschichtliche Einführung: der Gegenstand der Praktischen Theologie

  • problemgeschichtliches Vorgehen (zuletzt so Achelis! / PT-Theoriebildung weder von Historisierung noch von Wort-Gottes-Theologie wesentlich gefördert; aber: Drehsen, Bloth, Schröer / „deutsch“, „evangelisch“, komparativ, d.h. kulturenübergreifend lernen! / Überschreitung der Beschränkung „auf Kirche in ihrer besonderen deutschen Form“!

1. Kapitel: Praktische Theologie – eine moderne Krisenwissenschaft

  • Reform des Theologie-Studiums bzw. der Pfarrer-Ausbildung / enzyklopädische Bestimmung von Theologie / Entwicklung der PT an gesellschaftlich-kulturellen Umbrüchen (vgl. auch ‚Soziologie’ / „Krisen-Konzept“ prägende: „problematische Verhältnisse, die innovatives Handeln erfordern“ (21) / Lektüre-Schlüssel: gegenwärtig „Problematisches“

§ 2

Herausforderungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: enzyklopädische und praktische Impulse

  • Ausgangspunkt „krisenhafte Distanz zwischen Theologie und kirchlicher Praxis“

 

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1.Kontext

1.1.Politisch und gesellschaftlich

  • napoleonische Reform: vom Singular „Kirche“ zum Plural „Konfessionskirchen“ / explosionsartiges Bevölkerungswachstum (40% von 1816 bis 1865), von Ständeordnung zu Bürgergesellschaft
  • Individualisierung, Emotionalisierung (Familie!) / von Zünften zu Vereinen (Freiwilligkeit!) / Kirchenkonsequenz: KiGo, Innere Mission, Sulzes Gemeindehäuser („Gemeindeleben“)

1.2.Kulturell

  • Einrichtung von Schulen, Neuformatierung der Universität (zweckfreie Forschung) / „Historismus“ / Industrialisierung / „Kultur…getrennt und im Gegenüber zu Kirchen und Christentum“ (25f)

1.3.Kirchlich

  • Unterscheidung von privater und öffentlicher Religion (Semler) / Möglichkeit des Kirchenaustritts / 25 Jahre Revolution und Krieg >> religiöse Rückbesinnung (Restauration)

1.4.Theologisch

  • „Begründungen für Christentum und religiöse Praxis“ jenseits von dogmatischer Deduktion erforderlich (27)

 

 

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2.Profilierungen Praktischer Theologie

  • 100 Jahre Ausarbeitung von eigenständig besonderer Aufgabe der PT

2.1.Friedrich Schleiermacher

  • „Kurze Darstellung...“ !! / Theologie ‚positive Wissenschaft / PT gilt kunstfertiger (bloßer!) Anwendung / Empirie („Statistik“) der Historischen Theologie zugewiesen

2.2.Carl Immanuel Nitzsch

  • PT im Kirchenbegriff begründet / „aktuoses Subjekt“ Kirche > Pfarrer / undeutlich, ob Kirchenbegriff ‚dogmatisch’ oder „religionssoziologisch aufgeklärt“ (32)

2.3.Christian David Palmer

  • Zukunftsorientierung: Ausarbeitung der „menschlichen Freiheit“ (vs. „göttliche Notwendigkeit“) / sektoral-spezifische  Werke, aber keine „PT“

 

 

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Vorzeichen: Historismus

  • spekulative „Systeme“ / mehrbändige historisch dominierte Lehrbücher (Achelis unübertroffen)

 

4

Zusammenfassung

 

 

§ 3

Herausforderungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts: empirische Impulse

  • Erleben des Eintritts in die „Moderne“ / empirische Ausrichtung der PT bald durch dogmatische Kehre („Wort-Gottes-Theologie“) gebremst; Beiträge aus der Jüngeren Liturgischen Bewegung förderten Praxisnähe des Fachs / Wahrnehmung einer Krise des Fachs

 

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1.Kontext

  • Krisenhaftes Erleben der Kultur dominant, Tendenz zu ‚Fortschrittsoptimismus’, jenseits und gegen Christentum und Kirchen

1.1.Politisch und gesellschaftlich

  • Bevölkerungszuwachs im Reichsgebiet um ca. 70% / vom Agrar- zum Industrie-Land / soziale Verwerfungen, Bismarcks vermögens- und familienunabhängige Sozialsicherungssysteme
  • Kaiserkrönung restauratives Symbol / protestantisch z.T. emphatisch begrüßt (v.Treitschke)
  • „Zurücktreten ganzheitlicher Lebenskonzepte“ (Zünfte) verunsichert bis in untere Schichten

1.2.Kulturell

  • historistische Konzentration aufs Individuelle kostet Integrationskraft, Aufgang empirischer Wissenschaften (Psychologie, Soziologie, Volkskunde), Ausdifferenzierung der Naturwissenschaften / (deutsche) Theologie: internationales Ansehen, Anfeindung durch Monismus, quantitative Marginalisierung an Universitäten / Jugendbewegung + Berneuchen

1.3.Kirchlich

  • lebensweltlicher Kontaktverlust zu Arbeiterschaft und naturwissenschaftlich-technischen Eliten / Sakralisierung des Säkularen, „politische Religion“

1.4.Theologisch

  • Studienreform-Postulate (Pfarramts- und Moderne-Bezug; Bornemann) / Entwicklung von Predigerseminaren

 

 

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2.Profilierungen Praktischer Theologie

  • Wissenschaftlichkeit? Geringschätzung im akademischen Leben und durch Kirchen / Neuansatz: entschlossene Hinwendung zur modernen Lebenswelt

2.1.Paul Drews

  • Kontext der Studienreform; PT als empirische Disziplin / religiöse Volkskunde, Kirchenkunde, religiöse Psychologie (Altersstufen) / Empirie mit historischer Tiefenschärfe / Entlastung des Studiums durch berufsvorbereitende Predigerseminare: „perspektivische, am Wirklichkeitsbezug interessierte Theologie“
  • rezipiert von Drehsen (46)

2.2.Friedrich Niebergall

  • „Lehre von der kirchlichen Gemeindererziehung auf religionswissenschaftlicher Grundlage“ [„religiös = christlich“] / Katechetik als Leitperspektive der PT, „Praktische Dogmatik“ [mit gut gemeinten Ausgriffen auf Exegese, KG, ST] / Religionspsychologie als Analyse-Instrument
  • untergegangen unter Wort-Gottes-Theologie, rezipiert von Henning Luther

2.3.Martin Schian

  • Nachkriegs-PT (1922), erneute Betonung des Historischen, der „systematischen Anliegen“ der PT, der „Kirchenfrage“ (Verhältnis zum Staat, soziale Frage, Kirchenorganisation, Lehrzucht-Anlässe) / mit Sulze gegen Barths Spott
  • als GenSup Liegnitz 1933 NS-amtsenthoben / aber Neuauflage 1934
  • PT mehr als nur Pfarrer-Berufshandeln / keine Integration empirischer Wissenschaften in PT

 

 

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Vorzeichen: Wort-Gottes-Theologie

  • dogmatische Kritik an der programmatischen Zuwendung zu den konkreten Menschen / PT bis in die 1960er Jahre „dogmatisch anästhesiert“ / Dialektische Theologie beendet die PT-‚Lehrbücher’-Konjunktur seit Nitzsch / problematische Vorherrschaft der Homiletik, sogar in Seelsorgelehre / gegen Interdisziplinarität Sonderstellung der „Theologie“ (Barth) – schützt gegen NS-ideologische Überformung, sorgt auf Dauer für „Emigration der Kirche aus der Gesellschaft“

 

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Impulse jenseits dogmatischer und ideologischer Überformung

  • A.Allwohn, W.Stählin, O.Haendler: „ästhetische Perspektive“ / Solitär L.Fendt

 

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Zusammenfassung

  • von weiterführender Interdisziplinarität (z.B. O.Pfister) zu „Alltagsferne und Bedeutungslosigkeit“ der (nicht nur) PT

 

§ 4

Herausforderungen bis hin zur politischen Vereinigung: außertheologische Impulse

  • Bemühung um Anschluss an sozialwissenschaftliche Diskurse, später explizite Anknüpfung an ‚moderne’ PT des Jahrhundertanfangs / Spezialisierung gefährdet Einheit des Fachs und führt zu unangemessener Spannung zwischen Theologie und Pfarramt (M.Seitz, Krisenerlebnis)

 

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1.Kontext

1.1.Politisch und gesellschaftlich

  • grundlegend BRD-DDR-Differenz / von „keine Experimente“ zu „mehr Demokratie wagen“ / Reformwünsche, APO, Prosperität – aber auch „Ölpreisschock“ und „Grenzen des Wachstums“ / weltpolitisches Angstpotential wachsend / Kohls „Wende“ / diskursiver Raumgewinn der Dimension des Ökonomischen

1.2.Kulturell

  • Veränderungen in der Schulpartizipation! / Hochschul-Ausbau, immer öfter ganz ohne Theologie, Präferenz für Handlungswissenschaften / neue Lebensformen; anfangende Multikulturalität im Lebensstil > Gleichsetzung ‚Religion = christliche Kirchen’ problematisierend

1.3.Kirchlich

  • dogmatisch korrekte Predigten, parochie-orientierte „Lebensordnungen“ / Bultmann-Kontroversen (‚Modernitätsproblem’) blieben reflexiv, berührten nicht die Lebensstile / Vaticanum II, „Gaudium et Spes“ evangelisch nicht rezipiert
  • allgemeine Traditionskritik: seit 1969 sprunghafter Anstieg der Kirchenaustrittszahlen

1.4.Theologisch

  • seit 1972 EKD-Mitgliedschaftsuntersuchungen: breite Kirchenverbundenheit, lebensweltlich marginal, das „Bildungsdilemma“! / reformatorisches Prinzip betroffen / Differenzierung im Angebot: neue Personalstellen

 

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2.Profilierungen Praktischer Theologie

  • drei prominente PT-Quereinsteiger (NT, Soziologie – nicht-kirchliche Vor-Berufe) – aber differente Schwerpunkte, Gegensätze perspektivischer bzw. systematischer Anlage der PT

2.1.Karl-Fritz Daiber

  • Paradigma ‚Handlungswissenschaft’: welche sozialwissentschaftliche Theorie rezipierbar? PT-Gegenstand unklar… / „Theorie der Praxis theologischer und kirchlicher Berufe“ / Schwäche: abhängig von Dritt-Wissenschaftskonjunkturen, Methoden-Priorität vs. PT-Einheit

2.2.Dietrich Rössler

  • „Grundriß…“ seit 1988 „bestimmendes Lehrbuch“ / grundlegender Definitionsansatz für PT: Verbindung von 2Theorie“ mit „Verantwortung“ [Kirchenleitung];/ Grundsätze christlicher Überlieferung / Einsichten gegenwärtiger Erfahrung’ / dreifache Gestalt neuzeitlichen Christentums – ‚kirchliche’ bestimmt ‚persönliche’ und ‚gesellschaftliche’
  • „systematisch stringente Gliederung“ / Schwachstellen: eineindeutige Zuordnung von Phänomenbereichen, Ausblendungseffekte durch pastoraltheologische Konzentration, allzu selbstverständliche Voraussetzung volkskirchlichen Christentums

2.3.Gert Otto

  • weiträumige Positionswechsel in der Religionspädagogik (von Evangelischer Unterweisung bis LER) / anti-„system“ische Kritk an sektoraler Disziplineneinteilung der PT, flexible Zahl von „Perspektiven“, PT als „kritische Theorie religiös vermittelter Praxis in der Gesellschaft“ (Frankfurter Schule!)
  • scharf kirchenkritisch, Resonanz von Palmers  „was noch nicht ist, ‚es aber werden soll’“ / vorrangiger Blick auf Veränderungen der Lebenswelt
  • problematisch: theologischer Konnexverlust, fehlende empirische Validierung

 

 

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3.Vorzeichen: spezialisierte Forschung

  • Rössler mühte sich um die seit 1960er Jahren gefährdete Einheit der PT

3.1.Seelsorge

  • Rezeption der US-amerikanischen CPT durch „Seelsorgebewegung“ (doppelqualifizierte Stollberg, Winkler, Thilo, Scharfenberg) / 1972 DGfP
  • Zentralbegriff „Kommunikation“: Personbezogenheit und Situations-Sensitivität / auch: Prediger-Psychologie

3.2.Religionspädagogik

  • institutionelle Schwäche der Disziplin; hochschulpolitische Aufrüstung ab 1960er Jahren, aber auf ‚Schule’ konzentriert / Curriculardidaktik, Schülerorientierung

3.3.Kybernetik

  • Substitut: schmale Spur an Pastoralsoziologie an kirchlichen Instituten / Umfragemethodik; mit zunehmender Breitenwirkung für PT insgesamt durch KMU’s

3.4.Homiletik und Liturgik

  • Homiletik tastet an Empirie heran (Rhetorik, Persönlichkeitspsychologie) / Liturgik v.a. außeruniversitär dogmatisch und historisch (Lutherische Liturgische Konferenz); W.Jetter als Ausnahme

3.5.Ergebnis

  • „empirische Wende“ nötigt (außertheologisch identifizierte Forscher) zur Klärung des Verhältnisses zur Theologie

 

 

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Zusammenfassung

  • empirisch aufgeladene Disziplinen vernachlässigen die Einheit des Faches / Lehrbücher: „die Schwächen des einen [markieren] die Stärken des anderen“
  • Problemstellung; Beschreibung des „Gegenstands der Praktischen Theologie unter den Bedingungen der pluralistischen Gesellschaft“!

 

§ 5

Gegenwärtiger Stand: Ringen um den Gegenstand

  • kein „Weiter so wie bisher“ mehr plausibel in Theologie und Kirche(n) / > „zugleich kontextuelle und kulturkritische Praxis der KdE“

 

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1.Kontext

1.1.Politisch und gesellschaftlich

  • Einigungsvertrag 1990: formeller Abschluss der ‚Wende’, unter den Folgeproblemen zwei „Religionskulturen“ in Deutschland
  • Auflösung der Blöcke, Weltfriedenshoffnung… / „clash of civilizations“, Religion als Politik-Thema seit Nine-Eleven
  • globale Finanzkrise ab 2008 / Klima-Veränderungen und Lebensraumkrisen / Fukushima
  • crossover-Ästhetisierungen, Unbestimmtheit von Religion in künstlerischer Resorption
  • Bologna-Prozess: Kompetitivität statt Wahrheitssuche / PISA: funktionales Grundbildungsverständnis vs. (deutsche) Orientierung an Unverfügbarkeit von Bildungsprozessen / Umgang mit Multikulturalität angefragt / Computerisierung

1.2.Kirchlich

  • deutsche Kircheneinigung: Durchsetzung westdeutschen Staat-Kirche-Verhältnisses (in Ex-DDR als ‚Übernahme’ erlebt / Anwachsen der Finanzprobleme / Impulspapier „Kirche der Freiheit: „Wachsen gegen den Trend“)

1.3.Theologisch

  • Einrichtung von Religionswissenschafts-Lehrstühlen (auch: „Interkulturelle Theologie“), nicht-konfessionelle Religionswissenschaft, Etablierung Islamischer Theologie, Wissenschaftsrats-Empfehlungen 2010 / Ausbreitung biografiebezogener statt professionsbezogener Motive bei stud.theol.
  • KMU IV: Relativierung der „Kirchenbindungsfrage“ auf Lebenswelt-Bezüge, verschwimmende Grenzen

 

 

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2.Profilierungen Praktischer Theologie

  • Weiterwirken von Rössler; W.Steck
  • Fortführung bisheriger Linien, drei Gemeinsamkeiten(M.Josuttis, W.Gräb): Einstiege jenseits der PT, prioritär Homiletik, Schleiermacher-Barth-Spannung; C.Möller solitär; E.Winkler mit pastoraltheologischer Langzeitwirkung in DDR
  • neue Impulse wissenschaftsbiographisch neuer Generation

2.1.Manfred Josuttis

  • schon 1974 PT-Mängel markiert:Verkürzung auf Pastoraltheologie, empirische Defizite, Fehlen theoretischen Rahmens
  • Selbstaussage: von „realitätsbezogenen Denkformen zu wirklichkeitsfundierten Handlungssequenzen“, von „Kritik der Gesetzlichkeit“ zu „Methoden [der Erschließung] des Evangeliums“ / Schmitz-Rezeption: „Wirklichkeit des Heiligen“, über-mensch-/außer-welt-liche Energie / Leiblichkeit spiritueller Arbeit
  • ‚Elitentheorie in pastoraltheologischem Gewand’, ‚Einsprüche der Aufklärung unbedacht’

2.2.Wilhelm Gräb

  • Ansatz: grundlegende kulturelle Veränderungen, Sinnsuche, Ablehnung jenseitiger Welt > „Deutung“
  • PT „Praxistheorie protestantischer Kultur“ / „religionsproduktive Tendenzen“ der Moderne
  • Kommunikation als Grundcharakter von Religion; aber: Entsubstantialisierung von Vorstellungsgehalten, Ausblendung des Leidens an Ungleichheit (materielle Not > Diakonie)

2.3.Hans-Günter Heimbrock

  • zwischen Postulat des Heiligen und Deutungs-Universalismus: phänomenologisches „Lebenswelt“-Konzept [Josuttis-Kritik: ‚unüberwindbere Distanz…der Religion übersprungen’]
  • „Empirische Theologie“: verfremdender Seitenblick auf gelebte Erfahrung incl. vielschichtigen Subjektbezug / Phänomenologie: heuristisch, kritisch gegen funktionale Verkürzungen, für Wahrnehmung von Neuem öffnend
  • breites Forschungsfeld, aber theologisch schwach verortet (pauschale Bezüge, nur: das „Pathische“)

2.4.Marburger Graduiertenkolleg

  • Henning Luther: „Individualisierung der/durch Religion“ (vs. pastoraltheologische oder kirchenbezogene PT; U.Schwab / Aufnahme liberaler Programmatik
  • Kritik am Defizit Denken, Öffnung für ‚zeitgemäße Formen von Religiosität’/ [drittmittelprogramm-verlockte] weiteste Öffnung der PT, Fehlen integrierenden Konzepts

2.5.Albrecht Grözinger

  • „Grundproblem“ der PT: „Wie Transzendenz in begrenzter Kommunikation[…], ohne von Immanenz verschlungen….“
  • Ästhetik Benjamins: Dialektik von Präsentation und Entzug / Aufrechterhalten von Spannung / PT an Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft

2.6.Wilfried Engemann

  • Rückgriff auf Semiotik! / ‚Evangelium Kommunikationsprozess [zwischen] mehreren’/ Pfarrer-Aufgabe, kommunikationstypische Ambiguität fruchtbar umzugestalten, u.U. durch Einwirkung auf ‚äußere Umstände’
  • spätere PT-Definition rezipiert Praktische Philosophie, Lebenskunst-Diskussion / Binnenkirchlichkeit übergreifend

 

 

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3.Vorzeichen: Wahrnehmung

  • Weitung des Horizonts, Bedeutungsverlust des parochial Gebundenen

3.1.Generationenperspektive

  • Aufmerksamkeit für Lebensalter: ‚Kindertheologie’ vs. ‚Wirklichkeitsverlust’ der Theologie / Wahrnehmung kreativer Aneignung religiöser Formen im Alter (u.a. Demenz)

3.2.Performance

  • neue Aufmerksamkeit für Gestaltung und Form; Rückgang traditioneller praxis pietatis…: performative Religionsdidaktik, theaterwissenschaftlich aufgestellte Liturgik, „Dramaturgische Homiletik“

3.3.Multiperspektivität

  • Relativität von Perspektiven: Neben- und Miteinander vs. ‚Schulbildungen’
  • nicht = Beliebigkeit! wahrnehmungserweiternd, genauen Gegenstandsbestimmung erforderlich

 

 

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Zusammenfassung

  • theologische Rahmentheorien nicht mehr leistungsfähig genug für Integration des Wahrzunehmenden; Engemanns kommunikationsiwissenschaftlicher Zugang weiterführend, auch theologisch anschlussfähig, aber noch unterbestimmt
  • Desiderate: Entkirchlichung der Verhältnisse – religiöse Pluralisierungsprozesse auch bei Kirchenmitgliedern – Beachtung materieller Bedrängnisse (Diakonik, Ökologie)

 

2. Kapitel: Praktische Theologie – Impulse aus der Katholischen Theologie und den USA

  • Globalisierung und Regionalisierung zugleich / konfessionelle Heterogenität auch in Verwandtschaften!
  • Bernd Schröder: Vergleichen = „ideographisch, generalisierend, elenchthisch“ > Dialog

§ 6

Katholische Pastoraltheologie und Praktische Theologie

  • ‚Ökumenische’ PT vorerst undurchführbar: zu viele lehrmäßige und lebensweltiche Differenz zwischen existierenden Kirchen (N.Mette)

 

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1.Kontext

  • „Rom“: nie „die“ katholische Kirche bei allem vatikanischen Zentralismus

1.1.Staat – Kirche

  • durchgängige Nationalismus-Ferne des Katholizismus / „Kulturkampf“-Folgen bis heute: Protest gegen Abschaffung staatlicher Bekenntnisschulen, Zwang zum Ausstieg aus der Schwangerenkonfliktberatung, Widerstand gegen prioritäre staatliche Verfolgung von Mißbrauchsfällen; sogar separat katholische Akkreditierungsagentur

1.2.Gesellschaft – Kirche

  • antiaufklärerische Positionierung: Vaticanum I, Antimodernisteneid, Verrechtlichung von Kirche und Religion (CIC 1917)
  • Vereins- und Verbandskatholizismus – Separation von protestantischer Bevölkerungsmehrheit
  • Vaticanum II – streitige Interpretationsspielräume [aber spezifisch:] Bedeutung von Konzilsentscheidungen für katholische PT

1.3.Theologie

  • weltweite Normierung von Rahmen und Inhalten des Theologiestudiums (Apostolische Konstitution „Sapientia Christiana“ 1979; explizite „PT“ fehlt)

 

 

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2.Grundlegungen

2.1.Pastoraltheologie

  • aufklärerische Studienreform von k.u.k.-Monarchie betrieben: Rautenstrauchs ‚letztes Studienjahr’ zur Bildung der pastoralen Persönlichkeit („Unterweisungs-, Ausspendungs-; Erbauungspflicht“, gem. christologischer Drei-Ämter-Lehre)

2.2.Kirche

  • kath. Tübinger Schule: Abkehr von aufklärerischen Konzepten wie ‚Vernunft, natürliche Religon’ zugunsten geschichtlicher Positivität der Offenbarung > Wahrnehmung von „Praxis“ in Gestalt konkreter Kirche und ihrer Amtstätigkeiten
  • Anton Graf: gegen Schleiermacher, Begründung der PT aus Kirchenbegriff, Betonung von Wissenschaftlichkeit

2.3.Pastoralkonstitution

  • Folge aus deutschsprachiger Pastoraltheologie / dogmatische Begründung problematisch / bahnbrechend die Bestimmung von „pastoral“: Überwindung der Kluft zwischen „Welt“ und Kirche, Erfordernis kulturhermeneutischer Analysen

 

 

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3.Profilierungen

3.1.Daniel Bourgeois

  • (2004) „Lumen Gentium“ maßgeblich: sakramentstheologische Grundlegung der Pastoraltheologie / [zwar ökumene-uninteressiert, aber rechtfertigungstheologisch decodierbar:] ‚Kirche’, Gegenstand der PT, jenseits von menschlicher Aktivität Gnadengeschenk

3.2.Norbert Mette

  • Ansatz bei „anthropologischer Wende“ (HbPth 1964-1972): „Selbstvollzug der Kirche in der Gegenwart“ (Karl Rahner) / Weiterentwicklung zu „Praxis der Menschen“ (HbPT 1999/2000); Rezeption „Gaudium et Spes“ und H. Luther
  • Zentralbegriff „KdE“. konsensorientiert und herrschaftskritisch, Bezug auf Selbstbekundung Gottes („Liebe und Treue“) nicht nur in der Bibel
  • sozialethisch akzentuiertes Glaubensverständnis [‚existentialistischer Unterton’]: Mystik und Politik (Arbeiterpriester und basisgemeindliche Kirchenreform) / ‚kritisches Interesse an…Sozio- und Politökonomischem, befreiungstheologisch / Abgrenzung gegen protestantischen PT-Hang zum ‚Kulturthema’’

3.3.Rainer Bucher

  • Pastoraltheologie und PT koextensiv (!): Empirische Theologie, Handlungstheorie, Pastoraltheologie ‚Hilfswissenschaft’ der Hierarchie?
  • in Aufnahme und Einseitigkeitskorrektur dieser Ansätze: Pastoraltheologie als „Kulturwissenschaft des Volkes Gottes“ / nicht nur religiöse Aspekte, gegen normative Überladung des Handlungsbegriffs
  • kirchentheoretisch nach „Gaudium et Spes“, programmatisch [begriffspolitisch] am ‚Kenosis’-Modell orientiert (G.Vattimo)
  • bei Aufnahme gegenwartsanalytischer Beobachtungen kirchliche Verankerung der Pastoraltheologie (un-hierarchisch im „Volk Gottes“) / Kulturbezug macht pluralitätsoffen, „Volk Gottes“ lässt Politisches wahrnehmen (> protestantische PT)

 

 

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4.Anregungen für die evangelische Praktische Theologie

4.1.Begründung

  • genuin theologisch, normativ dominiert

4.2.Gnade

  • Thematik der PT entzieht sich menschlicher Verfügung

4.3.Kirche

  • ‚hoher Anspruch an die Praxis der Gläubigen’ (Bourgeois, Mette), Buchers Wahrnehmung lebensweltlicher ‚Brüche und Kontraste’ nur Ansatz

4.4.Politik

  • Horizonterweiterung ums Ökonomische (‚die Armen’) dank weltkirchlichem Blick

 

 

§ 7

Impulse aus den USA

 

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1.Kontext

1.1.Staat und Kirchen

  • Einwanderungs-setting, konfessionelle = nationale Differenzen, streng-moralische Prägung des Öffentlichen und Privaten: > „Denominationalismus“ / Organisations- und Lehr-Differenzen; ‚First Amendment’

1.2.Civil Religion

  • statt laizistischem Ausschluss des Religiösen aus der Politik überdenominationeller Konsens / R. Bellah /  Integrationsfunktion

1.3.Pluralisierung

  • seit 1930er Jahren Schwächung der Mainline Churches durch (geburtenstärkere) andere / Streitlinie ‚Schöpfung, Sexualethik’ / relevante Ballung der denominationslosen ‚Nones’ seit 1990ern

1.4.Auflösung der Denominationen

  • „congregation shopping“ zunehmend

1.5.Theologie und Ausbildung

  • denominationelle Seminaries, universitäre Schools, überkonfessionelle Einrichtungen („Union…) / bis in Gegenwart pastoraltheologische Ausrichtung der Ausbildungsstätten

 

 

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2.Grundlegungen

  • [nach John Patton]

2.1.William James

  • Analyse von Äußerungen religiöser „Genies“, Vorwegnahme von „dichter Beschreibung“, pragmatische Wahrheitstheorie (Lebesbewältigung)

2.2.Anton Boisen

  • ‚Vater’ der Seelsorgebewegung: „living human documents“-Konzept, Seelsorge als wechselseitiges Lernen / Einzelfall-Orientierung der PT

2.3.Seward Hiltner

  • von Pastoral Theology zu PT: über „logic-centered fields“ hinaus „operation-centered areas” (Pastoral, Educational and Evangelistic, Ecclesiastical Theology) / Interesse an Gleichrangigkeit beider Sektoren der Theologie (anders als deutscher 5–Fächer-Kanon), auch an (über ‚Methoden’ hinaus) ‚Theorie
  • Radikalisiserung des korrelationstheoretischen Ansatzes (Tillich) / Theorie-Praxis-Überprüfungszirkel, „Eduktive Seelsorge“ („two-way-communicating“)

 

 

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3.Profilierungen

  • neben handlungsfeldbezogenen Forschungen auch konzeptionelle Beiträge:

3.1.Dan Browning

  • „Fundamental Practical Theology“[FPT], im Kontext Praktischer Philosophie / ‚Augenhöhe’-Anspruch bezüglich ‚Verständnis der Gegenwart’
  • FPT umgreift descriptive, historical, systematic, strategic practical theology / auf hermeneutischer Grundlage Gadamers / starkes Theorieinteresse bei doppeltem Praxisbezug: durchgängige Praxisfähigkeits-Tests an drei Gemeinde-Exempeln, Abbildung der FPT auf konkreten Studien-Eingangskurs

3.2.Richard Osmer

  • Anlehnung an Browning / PT als Brückenschlag zwischen PT-Disziplinen bzw. Universität/Kirche
  • „congregational leadership“ durch kommunikativen „interpretive leader“ / normative Einsichten aus Bibel, Tradition, ethischer Reflexion und good practice / „spirituality“, „humility“ als pastorale Merkmale / Treue zum Bund Gottes statt Bestandserhaltung

3.3.Tony Jones

  • „Dispatches from the Emergent Frontier“: Markierung von Problemstellen der KdE aus der Sicht von nicht-mainline-churches
  • „church is dead“: mainline-churches und Evangelikale unterschreiten die Komplexität gegenwärtiger Herausforderungen / „Emergents“ verzichten auf Mitgliedschaften und feste Bekenntnisse / „humble hermeneutics“ („humility“): statt ‚richtig/falsch’ wird „better interpreter“ gesucht / Anregung von „Wikichurch“
  • Verbindung von Ernstnehmen der Individualisierung uns des Bedürfnisses nach Gemeinschaftserfahrung!

 

 

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4.Anregungen für die deutsche Praktische Theologie

  • Mitgliederverluste der mainline-churches lassen Ausschau nach „deep change“ halten

4.1.Enzyklopädische Stellung

  • Praxisbezug konstitutiv für Theologie (Browning)

4.2.Hermeneutik

  • PT in USA hat hermeneutischen Grundcharakter: Verstehen mehr als Bemerken; christologisch begründete humility; Theologie in Interpretationskonkurrenz zu Sozialwissenschaften

4.3.Praxisbezug

  • „human living documents“ als der Tradition gleichzuordnende Norm theologischer Reflexion

4.4.Ausbildung

  • practice-theory-practice-Modus: aus theologischen Gründen Studierenden-Interesse gewichtiger als ‚Stoffpläne’’

4.5.Kirchenverständnis

  • Kriterien künftiger Kirche: Wünsche nach Individualismus und Gemeinschaft, elektronisch veränderte Kommunikationsformen

 

 

Zusammenfassung des 1. Teils

  • PT als Theorie von Balancen“.
    • Konzentration auf klar abgegrenzten Gegenstand – lebensweltliche Weite religiöser und spiritueller Praxis
    • thematische Verbundenheit mit Theologie – Einbeziehung außertheologischer Einsichten und Forschungsstrategien
    • berufspraktische Bedeutung – mehrperspektivische Zugänge
  • Defizite (deutscher evangelischer PT):
    • politische und sozioökonomische Fragen
    • theologische Unterbestimmtheit
    • Betonung der Unverfügbarkeit

 

 

2.Teil: Kommunikation des Evangeliums in der Gegenwart: empirische und theologische Grundperspektiven

  • „Kommunikation des Evangeliums“ Begriff aus der ökumenischen Diskussion der 1950er Jahre (H.Kraemer)
  • (entscheidend modifizierende) Rezeption durch Ernst Lange: dialogischer Charakter / dogmatischer „Wort“-Begriff  um konstitutiven Situationsbezug angereichert / aggiornamento deutscher kirchlicher Praxis an ‚moderne Wirklichkeit’ als „Wirkungsgeschichte der Verheißung“ / C.Bäumler
  • inzwischen: „Kommunikation“ wissenschaftsübergreifend Schlüsselthema: Wechselseitigkeit, Multiperspektivität
  • I.Dalferth: „topisches Denken…sensibel für Vielaspektigkeit und Rekombinierbarkeit der Phänomene“, keine „Beliebigkeit von Betrachtungsweisen“, „Orientierungsleistung“ erforderlich, wohl aber „nicht, dass auch die richtige Antwort[…]immer schon feststünde oder immer dieselbe Antwort zu geben wäre“

 

3.Kapitel: Kommunikation des Evangeliums – begriffliche und hermeneutische Klärungen

 

§ 8

Begriffliche Klärungen

 

1

1.Kommunikation

  • grundbegrifflicher Wechsel in den Kultur- und Sozialwissenschaften: ‚Kommunikation’ statt ‚Handlung’ bzw. ‚Erleben’
  • Begleitmomente: Rückgang normativer Bestände / 4-fache Wortbedeutung / Ergebnisoffenheit / Ablösung von „Subjekt“ durch ‚Beziehung’

1.1.Nachrichtentechnischer Impuls

  • Shannon/Weaver-Modell von technischer Datenübermittlung (Infoquelle>Transmitter>Kanal>Empfänger>Botschaft(Ziel) / ‚Botschaft’ aufgrund Daten-‚Selektion’

1.2.Psychologische Einsichten

  • psychoanalytische Theoriebildung: grundlegend neue Dimension im Kommunikations-Verständnis / Freuds Instanzenlehre, unterbewusste Prägefaktoren / F. Schulz von Thun: Kommunikationsquadrat, seelsorgerelevant, Analyse interkultureller Kommunikation

1.3.Semiotische Einsichten

  • „Kommunikation“ (Personen/Zeichenbasis/Situationen/Ziele) / wechselseitige Code-Kenntnis verständigungswichtig / Sprachen (Bieritz-Engemann: Wort-, Körper-, Klang-, Objekt-, soziale…) überlagern sich, steigern Komplexität
  • Faktorendiversität verbreitert interdisziplinäre Anschlussfähigkeit / Herausforderung durch elektronische Medien: KdE impliziert konstitutiv ‚Störungen’ durch menschliche Adaptionsprozesse

1.4.Soziolinguistische Einsichten

  • restringierter und elaborierter Code, soziale Kontextualität von Sprache / homiletische Rezeption

1.5.Ritualtheoretische Einsichten

  • Sprechakttheorie: Äußerungen als Handlungen verstehbar
  • V.Turner: Ritual-Vollzug (Performanz) wirklichkeitssetzend / Übertragbarkeit in ‚pluralistische Gesellschaften der reflexiven Moderne’?

1.6.Systemtheoretische Einsichten

  • N.Luhmann: Systemen-Kommunikation eigenes System (Mitteilung/Information/Verstehen) / voraussetzungsvoll (wg. ‚jeweiliger Andersartigkeit der Kommunizierenden’) und eigendynamisch (Bewusstsein unzugänglich, Verstehen feststellbar?)
  • D.Baecker: Redundanz und Selektion als Formen für Kommunikation, „Ungewissheitsindex“ / M.Faßler: medientheoretische Erweiterung, „Kapazität und Kompetenz“ prozessentscheidend, Integration elektronischer Medien ~

1.7.Handlungstheoretische Einsichten

  • J.Habermas’ Universalpragmatik: instrumentelles/strategisches/kommunikatives Handeln / Ergebnis kommunikativen Handelns nur im –prozess ermittelbar, Aussagenwahrheit, Sprechhandlungs-Richtigkeit, Sprecherintentions-Wahrhaftigkeit / herrschaftsfreier Raum vorausgesetzt
  • theologische Rezeption (H.Peukert, N.Mette) / [aber: ‚normative Überspielung’ der ‚Brüchigkeit menschlicher Identität unter reflexiv modernen Bedingungen’ - R.Bucher]

1.8.Poststrukturalistische Einsichten

  • M.Foucault: Machtförmigkeit von Diskursen, Ideologiekritik am Paradigma symmetrischer Kommunikation

1.9.Neue Herausforderungen

  • mediale Kommunikationsmöglichkeiten fördern Standardisierungen und Individualisierungen
  • digital natives bzw. immigrants

1.10.Ergebnis

  • „’Evangelium’ als Inhalt von Kommunikation keine feststehende Größe unabhängig von der konkreten Kommunikation. Die genaue Bedeutung von ‚Evangelium’ wird erst im Kommunikationsprozess generiert und ist grundsätzlich ergebnisoffen bis hin zur Erschließung neuer Wirklichkeit“ – ‚Logik der Ko-Konstruktion’
  • ‚symmetrische Konstellationen’ erforderlich, incl. ‚funktional notwendiger Asymmetrien’ / dabei muss Kontext schöpfungsmäßige Gleichheit ausdrücken

 

 

2

2.Evangelium

  • gegen Josuttis, Gräb, Karle biblische Klärung der theologischen Leitbegriffe zu fordern / weder bloß legitimatorische Formeln noch ‚historisch distanzierte Rekonstruktion’
  • ntl Texte: Lebensorientierungssuche unter Bezug auf Wirken und Geschick Jesu / Perspektivenwechsel durch Botschaft von Anbruch der Gottesherrschaft, durch ‚Leiden[,…]Tod und die nachfolgenden Ereignisse, die zu seiner neuen Präsenz führten’, glaubwürdig gemacht

2.1.Evangelium als neutestamentlicher Begriff

  • Kultureller Hintergrund: ‚euangelizesthai’ personale Interaktion, Oszillieren zwischen Aktiv und Passiv, herrschaftskritischer Akzent
  • Paulus: euangelion mit sehr unterschiedlichen Verben / ‚Inhalt’ siehe Römerbrief-Präskript: Rückbezug auf ‚Schriften’, die auf Jesus vorausverweisen – irdisches Wirken wegen Auferweckung von weiterreichender Bedeutung / darum Gattung „Evangelium“ grundlegend bedeutsam
  • Evangelien: Changieren von genitivus obiectivus und subiectivus in Mk 1,14; ‚Inhalt und Medium koinzidieren’ / „Evangelium“ begegnet als personale Interaktion / Gemeinsamkeit in Differenz der Evangelien: Wirken und Geschick Jesu als Themen = „christlicher Grundimpuls“

2.2.Gottesherrschaft als Thema Jesu

  • [Anschluss an Jürgen Becker]
  • Kultureller Hintergrund: Zionstheologie, dtjes Freudenbotschaft für die Exulanten, auf Endzeithoffnungen sich ausweitend
  • Jesu Botschaft: „Gottesherrschaft [greift] ab jetzt in der Welt Platz“ / Schöpfungstheologie aktualisiert, Tendenz auf Ausgreifen über Israel hinaus / ‚Rettung der Verlorenen’ und ‚Kritik…kultischer wie ethischer Selbstverständlichkeiten’

2.3.„Vermittlung der Nähe der Gottesherrschaft“

  • drei Kommunikationsmodi Jesu:
  • Lehren und Lernen
    • verbal, v.a. mit Gleichnissen und Parabeln, motivisches Miteinander der 3 Modi / ‚Unverständlichkeit’ bisweilen verweist auf Ergebnisoffenheit von Kommunikation
    • funktional ‚Lehr- und Lernprozesse’, Redundanz als Selektionspotential, Nachhaltigkeit intendiert
  • Gemeinschaftliches Feiern
    • Mahlgemeinschaften: Jesus als Gast, festlicher Überfluss, ‚Öffnung der Runde’ für rituell oder moralisch Ausgeschlossene, Benediktionen / letzte Mahlzeit Jesu
    • ‚gemeinschaftliches Feiern’ kommunikationstheoretisch: von Jesus sich selber Ausschließende, Balance zwischen traditionell instrumentierter symbolischer Kommunikation und freier Geselligkeit / früh einsetzende Ritualisierung senkt Störungsanfälligkeit, lässt Innovationspotenzial verlieren
  • Helfen zum Leben
    • Jesu Worte und Berührungen, Befreiung aus krankheitsbedingter Segregation / Erneuerung des Alltags und eschatologische Ausrichtung

2.4.Kirchliche Weiterführung

  • Kirchliches Handeln, am durch Jesu Wirken gesetzten Grundimpuls orientiert, hat ‚grundsätzlich symmetrisches Profil’ / Gefahr des Missverstehens (Thomas Bauer: Ambiguitätsfurcht, Wahrheitsobsession, Universalisierungsehrgeiz)
  • Transformationen des Grundimpuls-Bezugs unvermeidlich / „Ritual“-Konzept / vorauszusetzende ‚selbstverständliche Anerkennung der…zu Grunde liegenden Daseinsorientierung’ in PT oft übersprungen / zu beachten: Optionsbewusstsein heutiger Menschen, Differenz menschlicher Hantierungen und des Willens Gottes / gegenüber Traditionsversessenheit das in Symbolen enthaltene Deutungspotenzial offen zu halten [siehe unten zur Entwicklung von Sozialformen, Tätigkeiten, Kommunikationsformen Kapp. 6 bis 8]

2.5.Ergebnis

  • „Evangelium ereignet sich in kommunikativen Vollzügen verbaler und nonverbaler Art“
  • Doppelheit von Übertragungs- und Speichermedium beachten und aufrechterhalten!
  • historisches Differenz-Paradagma ‚jesuanisch/Gemeindebildung’ kommunikationstheoretisch belangfrei
  • drei Kommunikationsmodi: gemeinsam der „offene, Menschen nicht ausschließende, sondern in Gemeinschaft mit Gott integrierende Impetus“ / reformatorische Drei-Ämter-Lehre, nicht-substantivische Fassung anschlussfähiger

 

 

3

3.Religion

  • Begriff zur Beschreibung des Gegenstands der PT problematisch, aber als ‚Unterscheidungskategorie’ unverzichtbar

3.1.Begriffsgeschichte

  • im antiken Rom Grundspannung ‚kultisch-existentialistisch’ im Begriffsverständnis / ‚unmittelbare Verbindung’ Lehre/Frömmigkeit bis ca. 1800 bestimmend
  • neuprotestantisch: Begriff für Unterscheidung und Zusammenhang kirchlicher Lehre und konkreter Glaubenspraxis / ‚Christentum’ > ‚sog. natürliche Religion’ > Entwicklungsgedanke (Mischung von Deskriptivem und Normativem) / Nutzung noch durch Rössler / Anknüpfung an funktionales Verständnis (T.Luckmann)
  • problematisch: Annahme allgemeiner Religiosität, christlich-kirchliche Grundierung von ‚Kultur’ / Generalisierung einer Protestantismus-[Selbst-]Deutung

3.2.Religionswissenschaftliche Problematisierung

  • Allgemeinbegrifflichkeiten wie „Religion“ oder „Heiliges, Gott, Transzendenz“ etc. zu eng oder zu weit (Abgrenzung zu ‚Kultur’?) / religionssoziologisch: funktionales Verständnis > Religionssoziologie in Wissenssoziologie überführend, substantielles Verständnis > christliche Engführung der ‚Kultur’-Auffassung
  • „Religions“begriff als solcher europäisch-protestantisch geprägt (F.Wagner)

3.3.Ergebnis

  • mangelhafte Phänomenenkapazität des „Religions“-Begriffs in Deutschland lebensweltlich relevant (GG-Konzept der „Religionsgemeinschaft“ inpliziert verwaltungsmäßige Organisation)
  • „Religions“-Begriff öffnet Wahrnehmung für individuelle Einstellungen, bezeichnet (und verformt!) wahrgenommene außerchristliche Daseinsorienteirungen

 

 

4

4.Spiritualität

  • Begriff soll schwach „organisierte Strömungen erfassen, innerhalb deren Menschen Transzendenzerfahrungen machen“ / vom reformationstheologischen Verständnis des Evangeliums her fragwürdig

4.1.Begriffsgeschichte

  • Ordenskatholizismus / Ökumenische Bewegung (Korrektur des zu einseitig Politischen) / interreligiöser Dialog / (im englischen Sprachraum) Anthropologicum / terminologische Modernisierung von ‚Frömmigkeit’ in evangelischer PT

4.2.Religionssoziologische Rezeption

  • Spiritualität institutionen- und organisationskritisch, ganzheitlich ausgerichtet, betont Subjektivität von Transzendenzerfahrungen / „Authentizität“ / Subjektivierung und Popularisierung / ‚Pilgern…als typische Figur der Religion in Bewegung’ (H.Knoblauch)

4.3.Ergebnis

  • Einwände überwiegen: „Übungen“ vs. Rechtfertigungsbotschaft / gesellschaftlich-kontextuelle Prämissen für Praktizierbarkeit ausgefallen
  • immerhin: Herausforderungen an christliche Lebensformen

 

 

5

5.Zusammenfassung

  • Spannung zwischen Redundanz und Selektion: Kommunikation muss sich auf Bekanntes beziehen und darüber hinaus weisen / Jesu Bezug auf Tradition und sein ‚neuer Horizont’
  • Ergebnisoffenheit: irritierende Ungewissheit und Bedingung für neue Einsichten / lehrmäßige Fixierung von „Evangelium“ kommunikationsbehindernd
  • die Begriffe „Religion“ wie „Spiritualität“ teils „evangeliums“-kompatibel, teils mißweisend / „Christusbezug“ maßgeblich!

 

 

§ 9

Hermeneutische Klärungen

  • zwei Modelle der Transformation von Gegensätzen in balance-bedürftige Spannungen

 

 

1

1.Pluralismus des Evangeliums

  • Rezeption der Jesus-Botschaft in unterschiedlichen Nachfolge-Formen (mitwandernd, ortsfest, J.Schröter)
  • in Transformation zum Speichermedium: das „Evangelium“wird zu den ‚Evangelien’/ verschiedene ‚Kirchengebiete’ / bibeltextliche Vielfalt erst ab 4. Jh. ‚schrittweise reduziert’
  • von Anfang an unterschiedliche Lebensformen, später unterschiedliche Formen christlicher Gemeinschaft (Kirchen-Farben von orthodox-liturigsch, über römisch-rechtlich bis protestantisch-theologisch, päpstlich-weltkirchlich bis kongregational-freikirchlich)
  • Konflikte! / stattdessen: Ergebnisoffenheit und Kontextbezug der KdE!

 

 

2

2.Differenzierung der Religionserfahrung

2.1.Ambivalenz von Religion

  • Unterscheidung von ‚Religion 1’ und ‚Religion 2’ (G.Otto nach H.-E.Bahr) / Daseinsvertrauen vs. Gottwohlgefälligkeitsgebot: Otto vs. Gräb

2.2.Primäre und sekundäre Religionserfahrung

  • T.Sundermeier: „mystische und prophetische Religion“ / PT-Transfer (mit Feldtkeller): Veränderung einer Religion „durch schriftliche Fixierung sprachlicher Äußerungen“, ‚Medialität’ als Scheidelinie / (primär) Bindung an Abstammungsgemeinschaft, Erde, Zeit; intensiv / (sekundär) raum- und zeit-überschreitend; reflexiv / kasualienrelevant

2.3.Ergebnis

  • Unterscheidung ermöglicht, Religionspraxis als spannungsvoll statt gegensätzlich zu verstehen (Redundanz und Selektion balancieren!)

 

 

3

3.Kulturhermeneutische Unterscheidungen

  • von „Inkulturation“ (Vaticanum II) zu „Kontextualisierung“ (LWB)

3.1.Mission

  • in PT unterschiedlich ressortierend, seit F. Niebergall als Thema entfallen

3.2.Missionstheologie

  • Warneck erwecklich / ÖRK: „Missio Dei“-Konzept, Dialog / T.Sundermeier: „Konvivenz“ als Ermöglichung von Dialog und Zeugnis; das „Fest“ als Wahrnehmungs-Situation

3.3.Gottesdienst und Kultur

  • LWB 1996: Gottesdienst “transcultural, contextual, counter-cultural, cross-cultural“ / Kriterien PT-verallgemeinerungsfähig

3.4.Ergebnis

  • LWB-Kriterien maßgeblich für Bestimmung der KdE

 

 

4

4.Zusammenfassung

  • Praxis der Balance zwischen alltäglichen Gegebenheiten und Verschriftlichung des christlichen Grundimpulses!
  • Kontextualisierung und Kulturkritik!

 

4. Kapitel: Kommunikation des Evangeliums – empirische Grundbedingungen

  • Evangelium als Anknüpfung an und Kritik von „Allerweltswissen“ / Überwindung der Milieubindung des Blicks in diakonischer Dimension
  • drei empirische Zugänge erforderlich: wissenssoziologisch, statistisch, medienwissenschaftlich

§ 10

Kommunikation: unter den  Bedingungen reflexiv moderner Plausibilitäten

  • Berger/Luckmann, C.Taylor, U.Beck

 

1

1.Anthropologische Grundlagen

  • Weltoffenheit / Veränderungen in Sozialität, Weltordnung, Zeiteinteilung

 

2

2.Historische Entwicklung

  • anstelle Niedergang-Szenarien und Steigerungs-Forderungen: C.Taylor zu kulturellen und materiellen Gewinnen durch „Säkularität“, H.Knoblauch zu Popularkultur („Spiritualität“)

2.1.Säkularität als Grunddatum

  • Taylor: “secularity in terms of public spaces, falling off of religious belief and practice, […] belief in God understood to be one option among others, frequently not the easiest” / Selbstverständlichkeit freier Wahl im Bereich der Daseins- und Wertorientierung > Folgerungen:
    • im Bereich des lateinischen Christentums REFORM: egalitärer Impuls, Veränderung ziviler Gewohnheiten durch Disziplinierung, Entzauberung der „Welt“ / anthropozentrische Verschiebung / „excarnation“ > Verinnerlichung des Glaubens, Evidenzverlust
    • Siegeszug der Naturwissenschaften: von „Kosmos“ zu „Universum“ / „buffered individuum“ / Opfer > zweckrationales Handeln
    • Leben ohne Gott möglich / moralische Disziplinierung, zweckrationale Ökonomie > Gottglaubensunabhängigkeit von Lebenserwartung und Wohlstand
  • Selbstverständlichkeit des Gotes- und Kosmos-Bezuges transformiert in mögliche Option von Innerlichkeit

2.2.Populäre Religion

  • Knoblauch: ‚Entzauberung der Welt’? Tranzendenzerfahrungen diesseits religiöser Diskurse, „Transformation der Magie“ / Ufo-Glaube, Wünschelruten etcetc; / show-events > religiöse Gestaltungen; Umkontextierung ‚sakraler’ Formen
  • überdehnter Religionsbegriff / aber: Praktiken und Einstellungen primärer Religionserfahrung im technisch-naturwissenschaftlichen Weltbild

2.3.Konsequenzen für die Kirche

  • reaktive Überhöhung der Kirche (E.Hirsch), Ausbau von Hierarchien und Bürokratien / ‚Emigration der Kirche aus der Gesellschaft’ (J.Matthes)

2.4.Ergebnis

  • Wegfall der Selbstverständlichkeit des Glaubens an Gott > Verstärkung der Säkularität durch ‚Konzentration auf die ‚Kirche’’

 

 

3

3.Gegenwart

3.1.Pluralismus und Individualisierung

  • „Zwang zur Häresie“ (P.Berger) / Enttraditionalisierung der Lebensformen, individuelle (selbst-)Zurechnung gesellschaftlicher Ungleichheiten

3.2.Risikogesellschaft

  • U.Beck: Auftreten globaler und zudem menschen(-technisch-)produzierter Risiken, Verschmelzung von Technik Ethik Politik / ‚Sehnsucht des Menschen nach ‚Sicherheit’’ als säkularer Transzendenzbezug, Ambivalenz technischer Verheißungen, repristinierter ‚Kosmos’

3.3.Erlebnisgesellschaft

  • G.Schulze: „Individualisierung [als]Veränderung von Formen der Gemeinsamkeit“ / „Projekt des schönen Lebens“ im Schutz gruppenspezifischer Verhaltensmuster / Milieutheorie > Konzept der Lebensstile / Paradoxie: „Ästhetische Übung“ > uninteressant durch Gewöhnung, Endlichkeit des Menschen vs. Unendlichkeit der Optionen

3.4.Individuelle Religion

  • A.Nassehi: Religion als „Sinnform[…], in der Beobachtbares und Unbeobachtbares verbunden werden“ / am eigenen Erleben orientiert / systematische Inkonsistenz / Prägewirkung der innerfamilären Sozialisation
  • „je intensiver…eigene Religiosität, desto…unabhängiger…Menschen von…Kirchlichkeit“: „postbürgerliche Religiosität“?

3.5 Ergebnis:

  • Inkonsistenzen gegenüber kirchlicher Lehre / Biographiebezug als Kriterium der Orientierungswahlen

 

4

4.Konsequenzen für die Kommunikation des Evangeliums

4.1.Streben nach Sicherheit

  • Entängstigungseffekt der REFORM, aber neue Bedrohungen durch Technik-Risiken und Individualisierungs-Forderungen
  • securitas vs. certitudo / KdE in Problemanschluss und Kulturkritik

4.2.Exkarnation und Uniformierung

  • ‚Verinnerlichungs’-Effekt der REFORM sozialdienlich, aber ‚auf Kosten’ der Leibhaftigkeit (von Spiritualität) / Entkörperlichungs-Tendenz durch elektronische Medien…
  • ‚Uniformierungs’-Effekt der REFORM (z.B. Eheform gegen Zölibat) / ‚Milieuverengung’ in Kirchengemeinden als Folge
  • „Öffnung für Dimension des Leiblichen, in pluriformer Weise“ für KdE ratsam, den NT-Perspektiven anbrechender Gottesherrschaft gemäß

4.3.Biographiebezug

  • „Nadelöhr für religiöse Thematik“, ungeachtet wiss,-theologischer oder kirchlich-lehrmäßiger Konsistenzanforderungen / zur Selbstdeutung hilfsweise ‚naturwissenschaftliches Weltbild’ / Risikoforschung aber: ‚Solidarität aller lebenden Dinge’ spürbar / Verengung auf eigene Situation, Milieu, Lebensstil
  • KdE: „Befreiung aus der Selbstzentrierung“ / nur biographisch zu vermitteln: anstelle von ‚Lehren’ ‚praktische Lebensmodelle’

 

 

§ 11

Kommunikation: unter den Bedingungen sozialer Veränderungen

  • Statistiken als Komplement ambitionierter Entwürfe

 

 

1

1.Anthropologische Grundlagen

  • hohe Verhaltensdisponibilität, aber biologische Grundlagen für kommunikative Prozesse / Gemeinschaftsbedürftigkeit von Menschen zu Aufwachsen und Überleben, Exogamie zur Sippenerweiterung, soziale Regelungen wg. Fehlens von Paarungszeiten

 

 

2

2.Historische Entwicklung

  • Wechsel der Adressatengruppe, Medienwechsel / Veränderung kulturellen Bezugssystems / Lebensführungs-Krise durch Seuche / demographischer Wandel
  • Bewahrung des christlichen Grundimpulses nur durch begriffliche und inhaltliche Transformation

2.1.Anfänge des Christentums

  • Sozialraum und religiöses Bezugssystem „im Übergang von Jesus zu Paulus“ für KdE grundlegend verändert / ‚Gottesherrschaft’ > ‚Gerechtigkeit Gottes’

2.2.Initiation

  • Kontextverschiebung der Taufe von spätantiken Städten zum Frankenreich (ländlich, monastische Zentren): Akzentverschiebung von Invocatio Dei zum „Ich“ des Täufers („heiliger Mann“) / Verständnis als lebenslanger Prozess verloren

2.3.Todesbewältigung

  • Pestkatastrophe 1348 ließ bisherige KdE (Begräbnisritus: bewusste Todeserwartung, Gemeinschaftlichkeit) zusammenbrechen / vermutlich spätfolgenreiches Auseinanderklaffen kirchliche Formen und tatsächlicher Nöte

2.4.Kirchliche Organisation

  • 19. Jh. „Hoch-Zeit der demographischen Revolution“ (T.Nipperdey) / Wegfall von Ehehindernissen, Landflucht, Aufblähung von Stadt-Parochien / Sulzesche Reform: Seelsorgebezirke, volkserzieherische Geselligkeit, Gemeindehäuser
  • KdE mit bürgerlichen Lebensformen imprägniert, faktisch Allgemeingültigkeitsanspruch / > Gesetzlichkeitstendenz (C.Möller)

2.5.Ergebnis

  • „Notwendigkeit inhaltlicher, organisatorischer und medialer Transformation der KdE“ seit Anfängen der „Christentumsgeschichte“

 

 

3

3.Gegenwart

3.1.Demographie

  • demographische Großtrends: Abnahme der Kinderzahl, Ansteigen der Lebenserwartung, Zunahme von geographischer und kultureller Migration

3.2.Lebensführung

  • Pluralisierung persönlicher Lebensformen: deutlich ansteigende Zahl ‚lediger Kinder’, Verkleinerung der Sozialformen
  • Familienforschungs-Paradigma „multilokale Mehrgenerationenfamilie“ / lebenslange Beziehungs-Intensität bei Eltern-Kindern eher als bei Paaren
  • Verbreiterung des Anteils formal höher Gebildeter, „Schulkindheit“, relative Schattenexistenz von MigrantInnen

3.3.Arbeitsformen

  • Wandel der Berufsfelder (Schwinden des agrarischen Sektors), Zunahme weiblicher Erwerbstätigkeit sowie atypischer Beschäftigungsverhältnisse
  • Abstand von Wohnort und Arbeitsplatz, Multikokalität von Paaren

3.4.Religionsstatistik

  • Dominanz zweier großer christlicher Kirchen
  • Zunahme der Zahl religiöser Organisationen
  • Ostdeutschland: „religiöse Indifferenz“

3.5.Ergebnis

  • Abschied von an vorgegebenen Rollenmustern orientierter Normalbiografie
  • alltägliches Fehlen von Kindern, Förderung der Kritikfähigkeit, geringerer Schöpfungsbezug, Rückgang von Kirchenmitgliedschaft

 

 

4

4.Konsequenzen für die Kommunikation des Evangeliums

4.1.Transformationen früherer Selbstverständlichkeiten

  • längere Lebenserwartung bewusstseinsprägend, unter Ausblendung externalisierter Kosten / ökonomische Absicherung gegen naturale Schwankungen der Lebensmittelversorgung (in Europa!)

4.2.Umbrüche im Bereich Familie

  • ‚Optionscharakter von Familie’ / Brüchigkeit von Paarbeziehungen / Delegation von familiären Funktionen

4.3.Migration

  • (religions-)kulturelle Pluralisierung eilt kirchlichen Klärungen für KdE voraus

 

 

§ 12

Kommunikation: unter den Bedingungen medientechnischer Innovationen

  • Medien = „materiale Bedingungen für die Kommunikation von Menschen“ / Verhältnis tertiärer M. zu primären und sekundären klärungsbedürftig
  • von methodischen Fragen zur Kontextualisierung!

 

1

1.Anthropologische Grundlagen

  • Überschreitung der Grenzen von Zeit und Raum / Erweiterung des Wahrnehmbaren / Unterhaltung
  • Sicherung materieller Bedürfnisse
  • Gestaltung von Transzendenzbezügen

 

2

2.Historische Entwicklung

  • Emergenz neuer Kommunikationsmedien affiziert gesellschaftliche Muster der Suche nach kommunikativen Anschlussmöglichkeiten

2.1.Schrift

  • ‚vom oral-kultischen zum skriptural-hermeneutischen Verständnis der Kommunikation mit Gott’ / Spannung zwischen Übertragungs- und Speichermedium (‚Zeitprobleme’ ‚Distanzprobleme’; Hörisch) / Jesu Akzentuierung von face-to-face-Kommunikation

2.2.Buchdruck

  • Reformationszeit verband Menschenmedien mit Buchdruck-ermöglichten / unbeabsichtigte Schwächung der mündlichen Predigt durch a-personales Medium

2.3.Photographie / Film

  • Bilderstreit-Geschichte und protestantisch-theologische Bilder-Distanz
  • Photographie + Film erzeugen konstruierte Wirklichkeit jenseits des sinnlich Wahrnehmbaren / Kommunikation jenseits naturaler Grenzen

2.4.Ergebnis

  • Jesu Mündlichkeitspräferenz von den Nachfolgern verlassen / Mediennutzung verändert ‚Zugang zur Zeit’’

 

 

3

3.Gegenwart

3.1.Mediennutzung

  • Sättigungspunkt anscheinend erreicht / Fernsehen+Hörfunk Leitmedien, aber milieudifferenziert

3.2.Veränderungen des Wirklichkeitsverständnisses

  • veränderte Lebensgestaltung (Nutzungsdauer, „Wirklichkeits“zuschreibungen) / Ubiquität von Bildern und Entlinearisierung diachronen Selbstverständnisses
  • Beschleunigungseffekt vs. Disposition zur Ruhe / „Alles tendiert dazu, Gegenwart zu sein“ (Großklaus) / Approximation vs. Entscheidung (Preul)

3.3.Massenmediale Kommunikation

  • Herausforderung an Selektion von Nachrichten / Kriteriologie der ‚Nachrichtenwert-Theorie’ z.T. in Spannung zu biblischen Perspektiven

3.4.Neue Sozialformen

  • [internet:] soziale Entkontextualisierung kann Authentizität, Sachbezogenheit von Kommunikation fördern / facebook…

3.5.Ergebnis

 

 

4

4.Konsequenzen für die Kommunikation des Evangeliums

4.1.Kontextuelle Rahmenbedingungen

  • offenerer Zugang zu tertiärmedialer Kommunikation als bei ‚kirchlichen Veranstaltungen’ / Effekte der Nivellierung, Trivialisierung, Selektion

4.2.Kulturkritische Spannungen

  • „Exkarnation“ vs. ‚Natur’, Beschleunigung vs. „Ruhe Gottes“, Partikularität und Inkonsistenz vs. Ganzheitlichkeit trotz Gebrochenheit, ‚Elite-Personen’ vs. Gleichheit qua Schöpfung und Taufe

4.3.Chancen

  • Beitrag zu symmetrischer Kommunikation, Marginalisierung konfessioneller Distinktionen

 

 

5.Kapitel: Kommunikation des Evangeliums – theologische Grundbestimmungen

  • Binnenstruktur der Modi der KdE in theologischer Perspektive: Erschließung der ‚neuen Wirklichkeitssicht’ primär durch „Lehren und Lernen“ [vgl. Jürgen Becker] / jeweiliger Einsatz mit ‚anthropologischem Hintergrund’ entspricht Fundierung der KdE in der Schöpfung

 

§ 13

Evangelium: im Modus des Lehrens und Lernens

 

1

1.Anthropologischer Hintergrund

  • Voraussetzung für Lehr-/Lernprozesse: Weltoffenheit, Sozialität
  • im einzelnen: verlässliche Umwelt (Nipkow), Vertrauen (Wyss), sprachliche Kommunikation (Berger) / Prävalenz mimetischer Lernprozesse

 

 

2

2.Biblische Grundlagen

2.1.Altes Testament

  • Prävalenz des Ohrs und der Sprache fürs Verstehen / „Weisung“ und Weisheit

2.2.Neues Testament

  • Lehr-/Lernprozesse um Jesus: ungewöhnte Adressaten, dialogisch / „keine Hierarchie im üblichen Sinn von unten und oben“
  • konkreter Lebensbezug statt gelehrter Schriftexegese
  • Inhalt durch Person Jesu bestimmt

 

 

3

3.Historische Formen

3.1.Christliche Lehrer

  • im 2. Jh. Wanderlehrer, Katecheten als Amtsträger, freie Lehrer / Kontextualisierung durch freie Lehrer / Tendenz zu Orten der KdE jenseits von ‚Gemeindestrukturen’’

3.2.Taufkatechumenat

  • Traditio Apostolica: 3-jährige Dauer, all-sinnliche Vermittlung der Motive (Tod und Sterben, Wiedergeburt + neues Leben, Eingliederung in die Gemeinde, Anteilgeben an Christus), Verbindung Katechumenat und Feier
  • spätere Regelhaftigkeit der Kindertaufe ließ Lernprozesse versanden

3.3.Klosterschulen

  • ab 6. Jh. eigene Institution zur Erziehung von Kindern (zunächst zum Mönchsein bestimmten, später auch ‚auf Zeit’) / ‚Teilnahme am klösterlichen Leben Lebensform und Bildungsziel’
  • nachfolgende Dom- und Kathedralschulen: Zurücktreten exklusiv-religiöser Inhalte

3.4.Reformatorischer Impuls

  • Bildungsbedarf mit ‚soteriologischer Qualität’! / Luthers Appell an die Obrigkeit und die Hausväter / Kleiner Katechismus, Schule-Kirche-Brücke das Singen / Relativierung der Bedeutung der Bibel

3.5.Aufgeklärter Religionsunterricht

  • in der Pädagogik (Salzmann; nicht gleich der Schulpraxis) Wendung von vorgegebenen Stoffen zu Sicht der Kinder / Spannungen zwischen verfasster Kirche und Schulen

3.6.Kritik schulischen Religionsunterrichts

  • Schleiermacher: „geheime, unverstandene Neigung“ vs. „Wut des Verstehens“ / Familie bedeutsamer als Schule / Weitergabe von Religion nur in ergebnisoffenen Kommunikationsprozessen

3.7.Verschulung religiöser Erziehung

  • Kontrollinteresse des Staates / schulisches Unterrichtsfach mit umfangreichen Memorierstoffen / Ausblendung des Sozialisationsfaktors Familie, Zurücktreten liturgischer Feiern

3.8.Zusammenfassung

  • Vorzeichen des Lehrerseins Jesu / unterschiedliche Orte / Psalmen als Gebete und Gesang / Zusammenhang von Unterrichts- und Feierformen / Miteinander rezeptiver und partizipativer Lernformen / KdE zielt auf Verhältnis des Menschen zu Gottes Handeln, Wissen davon, Gottes direkte Anrede / Spannung inhaltliche Bestimmtheit vs. Orientierung an Lernenden

 

 

4

4.Zusammenhang mit anderen Modi der Kommunikation des Evangeliums

4.1.Liturgische Bildung

  • historisch erstlich: Taufkatechumenat – Tauffeier – mystagogische Katechesen / Kleiner Katechismus – Morgen-/Abendsegen, Tischgebete / Schulgottesdienste, mit hierarchiekritischer Implikation (Scheibert) / von 1990er Jahren an Wiedergewinnung von Ritualien (performativer Ansatz der RU-Pädagogik)

4.2.Diakonische Bildung

  • von altkirchlichem Taufkatechumenat bis zu Klosterschule wurde ‚Christsein als umfassende Lebensform’ unterstellt / von 1990er Jahren an soziale und diakonische Erfahrungen konzeptionell in schulischen Lernprozessen vorgesehen / empirische Evaluation: weibliche Präferenz, ‚kulturkritische Dimension des Evangeliums genderbezogen’
  • Inklusions-Prinzip…

 

 

5

5.Grundfragen

5.1.Evangelium als Lehr- und Lerngegenstand

  • „Lehrbarkeit“ von Religion? [Schleiermacher, Kabisch] / KdE-Konzept verweist auf Differenz von Speicher- und Übertragungsmedium – Spannungen müssen didaktisch in Balance gehalten werden

5.2.Bibel als Unterrichtsgegenstand

  • medien- wie milieutheoretisch erkennbar: KdE nicht an individuelle Bibel-Lektüre gebunden, aber auf biblische Impulse angewiesen
  • bibeldidaktische Reflexion: ‚welche Texte für wen bedeutungsvoll’? angemessene Zugänge? / partizipative und entschränkende Methoden (Bibliodrama, Bibliolog) ermöglichen ‚direkte Begegnung’ über Lektüre hinaus („produktive Irritation“ [Friedrichs])

 

 

§ 14

Evangelium: im Modus des gemeinschaftlichen Feierns

  • reformatorischer Terminus ‚Gottesdienst’ Engführung des christentumsgeschichtlich ‚pluriformen Ensembles von Riten’ / röm.-katholisches ‚organologisches Modell’ [Baumstark, Ratzinger] problematische historische Fiktion / entscheidend nur ‚Unterscheidung von wahrem und falschem Gottesdienst’

 

1

1.Anthropologischer Hintergrund

  • Fest als Alltagstranszendierung / Kommunikation mit allen Sinnen / ‚sozial ermöglichen Feste Orientierung in Zeit und Raum’

 

 

2

2.Biblische Grundlagen

2.1.Altes Testament

  • ‚Opferkult, Gebet, Schriftfrömmigkeit’ qua Tempel, Haus, Synagoge [Wick] / deuteronomische bzw. priesterschriftliche Kultkonzeption akzentuieren alternativ Gemeinschaft bzw. Gottesbezug [Etzelmüller]
  • schon im AT unterschiedliche Typen!

2.2.Neues Testament

  • kaum kultische Terminologie verwendet / Mahlvollzug Grund-Motiv für genuin christliche Gemeinschaftsform / Priester-Funktion fehlt im NT, „diakonia“ Grundkategorie
  • Nähe zum Modus ‚Helfen zum Leben’/ ‚Verständlichkeit’ als Kriterium
  • Abendmahl und Taufe eröffnen eschatologischen Horizont / Integration alles Sinne

 

 

3

3.Historische Formen

3.1.Mahlfeier

  • jüdische Zeitrhythmen inhaltlich neubestimmt / gemeinschaftliches Feiern in komplexes kultisches Gefüge transformiert

3.2.Ämter

  • Ausprägung v.a. des Bischofsamts (Ignatius) / Abbau der Rolle der Gläubigen, als Kontextualisierung in hierarchisch geordnete Gesellschaft und Instrument zur Erhaltung von Kircheneinheit / Ausfall kulturkritischer Aspekte

3.3.Benediktionelle Volksfrömmigkeit

  • im Mittelalter kirchliche Adaption innerfamiliärer Segnungen, darüber hinaus Ausbreitung von Benediktionen / Verkirchlichung primärer Religionserfahrung
  • Kontexte: magische Praktiken vs. Lebensunsicherheit, Übergang des Christentums ins germanisch Illiterate förderte Verdinglichung des Transzendenten

3.4.Reformatorischer Impuls

  • Christusbezug als Ausschlusskriterium / katechetische Perspektive: starke Verbalisierung der KdE / Lebenszentrum des Menschen von Verhalten in Einstellungen verlegt [Josuttis nach Elias]

3.5.Unterricht in der Religion

  • Ende 18. Jh. Vorschläge zur Reform des Gottesdienstes, v.a. Predigt / Diffenzierung Theologie-Religion als Paradigma / „Nutzbarkeit“ für das Leben!

3.6.Festreligion

  • Profilierung des Weihnachtsfestes im 19. Jh.: ‚kirchliche Tradition, öffentliche Feierkultur, familiäre Sitte’ verbunden / Verlagerung des Festgottesdienstes am 25.Dezember frühmorgens auf Heiligabend / Festlegende vs. Dogmatik (Jungfrauengeburt, Inkarnation) / Lieder als Brücke zwischen Familie und Kirche

3.7.Agendarische Verfestigung

  • Verstärkung des Musters familiärer KdE (primäre Religionserfahrung) durch – v.a. im Luthertum betriebene – Agendenreform im 20. Jh. zurückgedrängt (Sachgemäßheit > Gemeindegemäßheit; vgl. Cornehl)
  • liturgische Experimente ab 1970er Jahre: einheitsagendarischer Gottesdienst kein hinreichender Raum für gemeinsames Feiern

3.8.Zusammenfassung

  • ‚Präsenthalten der Christusanamnese’ entfernte Feiern vom Alltagsleben / hierarchische Prägung durch ‚Ämter’/ ‚volksfromme Bräuche’ mit schwachem Christusbezug / permanente Spannung zwischen Primär- und Sekundärreligiosität

 

 

4

4.Zusammenhang mit anderen Modi der Kommunikation des Evangeliums

4.1.Von der Mimesis zur Volksbildung

  • altkirchlich gewahrter Zusammenhang Lehren-Lernen mit Feiern durch ma. Liturgieentwicklung abgebrochen / Reformation transformierte frühere mimetische Form in Predigt-Hören, aufklärerische Predigtreformen missachteten kulturkritische Perspektive, Familiarisierung der KdE ließ Christus-Impuls versanden

4.2.Helfen zum Leben und Feiern

  • ursprüngliche Verbindung von Abendmahlsfeier mit Fürsorge durch kultische Ritualisierung verblasst / reformatorische Spezifika für Wiederherstellung kontraproduktiv

 

 

5

5.Grundfragen

5.1.Wahrer – falscher Gottesdienst

  • biblische Ablehnung einer Trennung zwischen Alltag und Kult / derlei Separierung mag als Kontextualisierung der KdE in eine von Rollendiversifizierung geprägte Situation gelten, verspielt aber die kulturkritische Perspektive

5.2.Pluriformität

  • „Hauptgottesdienst“- eine von 1822 ausgehende problematisch uniformierende Normierung
  • konstitutiv aber Christusbezug nach Mt 18,20 / röm.-kath. Konzept ‚eucharistischer Ekklesiologie’ defacto nur ‚ambitioniertes Zukunftsprojekt’ / Privilegierung diese kirchenorganisatorisch verorteten Vollzugs wertet andere Orte der KdE ab
  • vor KdE-Kriterien ‚Verständlichkeit, Anschlussfähigkeit’ erscheint Liturgik einer Konzentration auf kirchlich-gottesdienstliches Handeln als Fehlentwicklung

 

 

§ 15

Evangelium: im Modus des Helfens zum Leben

  • Jesu Verbindung von ‚soziale[m] bzw. heilende[m] Tun mit der Zusage der Sündenvergebung’ historisch dissoziiert
  • gegenwärtig ambivalente Konnotationen von ‚Helfen’ (Selbstausbeutung, Herrschatsverhältnisse)

 

1

1.Anthropologischer Hintergrund

  • Helfen als Form des Umgangs mit Alterität / Neurowissenschaften: soziales Verhalten für ‚menschheitliche’ Entwicklung grundlegend / kulturelle Formung des Zusammengehörigkeitsempfindens, Prävalenz der Familiarität
  • Ambivalenzen: Entgrenzung der Sippe vs. ‚Fremdel’-Phänomen, Herkunftsfamilie vs. „Kinder Gottes“

 

 

2

2.Biblische Grundlagen

  • Kommunikationsmodus „Helfen zum Leben“ als Roter Faden durch die gesamte Bibel!

2.1.Altes Testament

  • Muster Nächstenliebe-Gebot, „Entsprechung zum Handeln Gottes“ / Liebeswerke und Sündenbekenntnis

2.2.Neues Testament

  • „Helfen zum Leben“ als „ergebnisoffene Kommunikation, in der die Kommunzierenden miteinander ringen“ [nach Starnitzke} / „Dienen (διακονειν)“. finanzielle Hilfe (Verteilprobleme), Umgang mit Kranken (mit Salbung und Sündenvergebung; Integration der anderen Modi im Ritus)

 

 

3

3.Historische Formen

  • historische Ausdifferenzierung von Diakonat und Buß-Institut; Grundproblem: Auflösung der jesuanischen Einheit von diakonischem und seelsorgerlichem Handeln / platonischer Terminus „Seelsorge“ lange hinter „’Pastoral’ zurückgedrängt, erst von Luther präferiert

3.1.Altkirchlicher Diakonat

  • Erster Clemensbrief (neben ‚Bischof’), Ignatiusbriefe (mit ‚Bischöfen und Presbytern’) / ursprüngliche Funktion des Diakonat (Sammlung und Verteilung der sonntäglichen materiellen Gemeindegaben) schon vor 200 durch Wandlung des Herrenmahl von Alltags-Feier zum Kultakt überformt: unselbständige Gehilfenschaft des Episkopat, stabilisiert aber das Amt

3.2.Buße

  • Taufe als Begründung Neuen Lebens; Umgang mit anschließenden Verfehlungen? / Großkirche regelt ‚zweite Buße’, bald aufs Lebensende verschoben / iroschottische Entstehung des Beichtinstituts / „Umkehrruf Jesu[...], körperliche Zuwendung und Sündenvergebung integrier[end]“ transformiert in kirchliches Instrument der Moralerziehung

3.3.Klösterliche Caritas

  • Verländlichung durch Germanisierung des Christentums verlangte nach neuer Struktur des Helfens zum Leben / Klöster, Benediktsregel 36 u. 53; cluniazensische Reform / ‚nichtklerikale Initiativen’ führen ‚gemeinschaftliche Sozialform und Helfen zum Leben’ wieder zusammen

3.4.Reformatorische Impulse

  • seit Karl dem Großen wurde Hilfehandeln zur obrigkeitlichen Aufgabe / Verstädterung, magistratsgestützte Armenfürsorge, Bettelwesen / statt Werkgerechtigkeit ‚Nächsten’orientierung / Luther: ‚Beruf als Gottes Berufung’ / CA VII verkürzt Kommunikation des Evangeliums um einen ‚christlichen Grundimpuls’

3.5.Hilfe durch Erziehung

  • Spener, v.a. Fran>3.6.Diakonissen

     

    • NT. ambivalente Äußerungen zu Frauen in der Kommunikation des Evangeliums; altkirchlich aber deren Rolle beim ‚praktischen helfen...unbestritten’ / keine ‚Abhilfe’ durch Reformatoren
    • 19. Jh.: Fliedner profilierte „Diakonissen“ als ‚Stand’ (Würdezeichen: Tracht), Professionalisierung der Krankenpflege /  Ende des 19. Jh. sorgte Subordinationsprinzip für Attraktivitätsverluste in höheren Schichten

    3.7.Innere Mission

    • Pietismus und Erweckungsbewegung setzten Initiativen zu Verbindung diakonischer/erzieherischer/ missiona-rischer Impulse / Wichern: „Rettungshäuser“, Erzieher > „Diakone“; konzeptionelle Ausrichtung „aller Lebensäußerungen...auf das Reich Gottes“

    3.8.Zusammenfassung

    • kirchengeschichtlich Tendenz, „Helfen zum Leben“ als sekundären Modus der Kommunikation des Evangeliums hintanzustellen
    • Organisationsformen außerhalb kirchlicher Strukturen
    • Zusammenhang christlicher Gemeinschaft mit Helfen zum Leben / Umgang mit Alterität, Integration von köperlicher Zuwendung und geistlicher Begleitung
    • Bewusstsein staatlicher Verantwortung stützte diakonische Aufbrüche im 18./19. Jh.

     

 

4

4.Zusammenhang mit anderen Modi der Kommunikation des Evangeliums

4.1.Berufsbildung

  • schon die frühe Ausprägung des Diakonen-Amts weist auf implizite Tendenz des Helfen-zum-Leben-Modus auf Ausbildung von Berufen, verstärkt ab 19. Jh. / Fachkenntnisse überstrahlen christlichen Impuls, Konzept Diakonischer Bildung (§ 13.4.2) als reziproke Entsprechung

4.2.Gemeinschaftliches Feiern

  • Feste und Feiern: in prekären Verhältnissen Unterbrechungen notvollen Alltags, für Marginalisierte Integrationsmöglichkeit / Sonntagschule als frühe Wurzel von Wicherns diakonischem Impuls
  • Potenzial des heil- und sonderpädagogischen Inklusionskonzepts

 

 

5

5.Grundfragen

5.1.Organisationsform

  • Nebeneinander von individuellem und organisiertem Helfen / Parochie zu unflexibel / Helfen zum Leben verlangt letztlich ökumenischen Horizont

5.2.Berufs- und Lebensform

  • Spannung von Fachstandards, v.a. ökonomisch-technischen Rahmenbedingungen zu ‚freiwilligem Helfen’ / 19. Jh. versuchte Lösung durch Anknüpfung an altkirchlichen Diakonat
  • zukunftsträchtiger ‚Verbindung von Zugehörigkeit zu einer christlich motivierten Gemeinschaft und erfolgreichem Helfen zum Leben

 

 

Zusammenfassung des 2. Teils

[nur Hervorhebungen:]

  • Kommunikation des Evangeliums in der Gegenwart
    • Kommunikation
    • Evangelium
    • „Religion“
    • „Spiritualität“
  • hermeneutische Kriterien
    • Differenzierung: primäre und sekundäre Religionserfahrung
    • Unterscheidung von kulturübergreifender, kontextueller, kulturkritischer und kulturell wechselwirksamer Dimension
  • empirischer Rahmen
    • Säkularität (Taylor) und populäre Religion (Knoblauch)
    • tiefgreifender Wandel der Lebensbedingungen
    • Anbahnung neuer Sozialformen aus Rezeption medientechnischer Innovationen
    • im Kontext dieser Prozesse ist zwischen neuen Möglichkeiten und Widersprüchen zum christlichen Grundimpuls zu unterscheiden
  • theologische Focussierung von Verfehlung der kulturkritischen Dimension:
    • Lehren und Lernen: Konzentration auf Unterricht kommunikationstheoretisch problematisch
    • gemeinschaftliches Feiern: problematisches Nebeneinander kirchlicher Feierformen und tatsächlicher Praxis der meisten
    • Helfen zum Leben: Hilfehandeln häufig im Gegenüber zu organisierten Kirchen kontextualisiert; Inklusions-Impuls besonders beachtlich

 

3. Teil: Kommunikation des Evangeliums in der Gegenwart: praktische Perspektiven

  • Gegenwartsbezug grundlegend für PTh; KdE als Bezeichnung deren Gegenstandbereichs
  • Dalferth / Jesu Wirken und Geschick Integral der drei Kommunikationsmodi / Modernisierungsprozesse im 19. Jh. empfehlen Überschreitung der „Kirchen“-Paradigmen ‚Institution’ wie ‚Organisation’
  • KdE-Förderung durch Mitarbeitende: ehren- und nebenamtliche kontextualisieren KdE mit ‚Alltag’, Hauptberufliche ‚in professionstheoretischer Hinsicht’ / Balance wichtig, aber Weitung des Blicks auf KdE-gemäßen Impuls zur Mündigkeit aller
  • ‚Unterscheidung zwischen der Kommunikation über Gott, mit Gott und von Gott her’

6. Kapitel: Kommunikation des Evangeliums – in verschiedenen Sozialformen

  • Luhmann-Rezeption in der PT-Kirchentheorie (an Distinktion Transzendenz-Immanenz orientierter Religionsbegriff, Engführung auf Organisation [Kirche])
  • Weitung durch ntl. Begriff von „ekklesia“: Hausgemeinde, Ortsgemeinde, weltweite Ökumene –Gemeinsamkeit im Christusbezug schließt Priorisierungen aus
  • empirisch indes: Familie als statistisch prioritärer Kommunikationsraum / dabei teilweise dichte Verflochtenheit der Sozialformen
  • Kirchen sind „Zonen dichter gekoppelter Kommunikation“ / religionshermeneutisch: Transport ‚skriptural tradierter sekundärer Religionserfahrung’, angewiesen auf Verknüpfung mit primärer Religionserfahrung / kirchentheoretische Horizonterweiterung als Entlastung organisiert kirchlichen Handelns – indes am Kriterium der ‚Eröffnung neuer Lebensperspektiven’ für alle, diesseits ‚Repetition von Glaubensformeln’

§ 16

Familie als grundlegender Kommunikationsraum

  • Sozialisationstheoretisch und empirisch gesehen: ‚Familie’ (Eltern, Großeltern)  Erste Gesprächspartner zu ‚religiösen Themen’

 

1

1.Begriffsklärung

  • historisch bis Ende des 18. Jh. das „Haus“, erst später dominierender Aspekt ‚Blutsverwandtschaft’ / neuerlich: ‚multilokale Mehrgenerationenfamilie’ (Anschluss an „Haus“) / besondere Form von Vertrautheit (gemeinsames Leben mit Kindern über längere Zeitdauer; Tenorth)
  • Dominanz des Mimetischen im sozialen und kulturellen Lernen

 

2

2.Historische Entwicklungen

2.1.Bibel

  • Gottesbeziehung vorzugsweise in Sprache familialer Beziehungen formuliert
  • aber Ambivalenzen: im AT Spannung zwischen früherem „Familienkult“ und nachexilischer Kultzentralisation, im NT widersprüchliche Postulate Jesu / Spannung primärer/sekundärer Religionserfahrung? „Familie Jesu“ Mk 3,35ff als Synthese?

2.2.Taufe

  • Erbsündenlehre (Augustin wirkmächtig) ließ im Taufritus Eltern gegenüber Paten zurücktreten; „Familie“ altkirchlich wenig beachtet (lediglich Lieferant der „Gotteskind“-Metaphorik)

2.3.Zölibat

  • Zwangszölibat sexualfeindliche Geringschätzung von Frauen, Ehe, Familie / einseitige Auflösung der biblischen Ambivalenzen
  • Christliches wird alltagsferne Sonderwelt

2.4.Reformation

  • Bruch mit familienfeindlicher Tradition, aber im vorwiegend erzieherischen und katechetischen Interesse an Haus und Familie / Haus ekklesiologisch zur Gemeinde aufgewertet
  • aber: Intimisierung > Familienreligion, Schub der Säkularisierung durch Pädagogisierung (Taylor)

2.5.Separation von Familie

  • Luthers katechetisch motiviertes Familienideal nicht durchsetzbar, ab 18. Jh. kulturell wirksames bürgerliches Familienideal diesseits relisiöser Legitimation / Kompensationsinstrument KU, Schule; ‚Moralische Wochenschriften’
  • im 19. Jh. Verkirchlichung der KdE; Kritik der Familienfeindlichkeit der vereinskirchlichen Gemeinde aufgrund ‚naturständischer’ Segregation (E.Lange)

2.6.Zusammenfassung

 

3

3.Rechtlicher Rahmen

  • rechtlicher Niederschlag bürgerliche Hochschätzung der Familie (Art. 6 GG), staatliche Zurückhaltung / „Beistandsgemeinschaft“, grundsätzliche Lebensdauer und Gegenseitigkeit der Beziehungen

 

4

4.Gegenwärtige Situation

4.1.Familie heute

  • „Familie ist, wo man nicht rausgeworfen wird“ (Domsgen) / gesellschaftliche Differenzierung konzentriert Bereich der Emotionen im ‚System Familie’
  • Kindererziehung und Pflegedienste familien(haushalts)überschreitend geworden / multilokale Mehrgenerationenfamilie, erweitert um Tagesmütter, KiTa’s, Pflegeheime, als Substitut des vorneuzeitlichen „Hauses“
  • gesellschaftlich „strukturelle Rücksichtslosigkeit“ gegenüber Familie folgt Gesamtlogik heutiger Ökonomie (Beschleunigung, Effizienz)

4.2.Lehren und Lernen

  • Unterscheidung von impliziter und expliziter religiöser Erziehung / im Kleinkindalter nonverbales Vermitteln von Vertrauen primär (Mutter am Kinderbettchen, aaronitischer Segen), offen für verbale KdE: ritualisierte Form des Zu-Bett-Bringens mit Platz für ‚Gott nennende Kommunikationsformen’, mimetische Lernprozesse

4.3.Gemeinschaftliches Feiern

  • christusbezogene Hochfeste in Familien präsent / Weihnachtsfest als intergenerationelle Zusammenführung; Kasualien, von Wort-Gottes-Theologie als ‚unevangelische Zeremonien’ abgewertet, erschließen Menschen Deutung eines Lebens-Übergangs; unter Voraussetzung ‚biographiebezogenen Kommunikationsprozesses’ (statt abstrakter „Verkündigung“) / familiäre Integration konfessioneller Differenzen

4.4.Helfen zum Leben

  • in Familien ereignen sich, unspektakulär, ‚Werke der Barmherzigkeit’; benediktionelle Begleitung an Lebensanfang und –ende gefragt, opferbereite Familienpraxis in Spannung zu konsumgesellschaftlichem Idol ‚leidfreien Genusses’’

4.5.Zusammenfassung

  • ‚Viele Familien sind eine „Ekklesia“, die der Unterstützung bedarf[...] nicht[...]Familien in das Gemeindeleben integrieren’, sondern als eigenes Gemeinde-Sein würdigen!

 

 

5

5.Weiterführende Impulse

  • 3 Modelle: wobei in KdE-Logik offen bleiben muss, ob es „tatsächlich zu einem Verstehen des Evangeliums kommt“

5.1.Tauferinnerung

  • Tauf Fest anlässlich Vermehrung der Ekklesia ‚Familie’ / besonderer Taufgottesdienst naheliegend / Schaffung von Möglichkeiten der Tauferinnerung wichtig: Photographieren, Filmen; sozial abgesicherter Tauftermin (große Christusfeste); Taufkerze, Taufspruch im Kinderzimmer

5.2.Kindergottesdienst

  • in Deutschland Verkirchlichung der ‚Sonntagsschule’, seit 1970er Jahren Teilnehmerschwund drastisch / Perspektivwechsel von Kirchengemeinde zur Familie!
  • junge Mütter als Kindergottesdienstmitarbeiterinnen: Gottesdienst mit Kindern / zeitliche Verlagerung auf Samstagvormittag o.ä. familienlebensrhythmusgemäßer, Transformation zum Moment der multilokalen Mehrgenerationenfamilie

5.3.Trauerhilfe

  • trotz historischer Verkirchlichung starke familiäre Prägung der Trauerfeier / neue Herausforderung: Umgang mit Fehl- und Totgeburten / Feier der Namensgebung (‚Mosekörbchen’)

5.4.Offene Fragen

  • die kulturkritische Seite des christlichen Grundimpulses lässt Problemanzeigen erkennen.
  • im Paradigma mehrkonfessioneller multilokaler Mehrgenerationenfamilie werden lebensweltlich die aus Konfessionsdifferenz erwachsenden Komplikationen durch ‚Rückzug von organisierter Kirche’ gelöst; aktuelle Bedeutung konfessioneller Diastase nicht mehr plausibilisierbar
  • nicht alle Menschen leben in familiären Zusammenhängen; faktische Ausklammerung von Kindern und Zukunft aus der Lebenspraxis

 

§ 17

Schule als Lebensraum für Heranwachsende

  • Verstaatlichung von Schule lässt ‚Problem der Kontextualisierung der KdE’ besonder wahrnehmen / keine „Kirche in der Schule“, wohl aber Ekklesia-Charakter von Schule in Blick nehmen!

 

1

1.Begriffsklärung

  • Pluriformität von Schulen wie von Familien
  • Schulen: raumzeitliche Verselbständigung von Lehr- und Lernprozessen, Abtraktion vom „’normalen’ Alltag“

 

2

2.Historische Entwicklungen

  • „besondere Institutionalisierung des christlichen Daseins- und Werteorientierung in Form der Kirche entscheidend für den ‚okzidentalen Sonderweg’“ (Fend)

2.1.Schulleben

  • Fröbel: Zusammenhang von Schule und Familie im Erziehungsprozess; Bedeutung der ‚Schulandacht’ als (kontrafaktisches!) Ideal der Relativierung schulischer Hierarchie

2.2.Kindgemäßer Religionsunterricht

  • Stiehlsche Regulative (Obrigkeitstreue!) vs. Zwickauer Manifest (kindgemäße Förderung gegen dogmatische Kirchlichkeit)

2.3.Orientierung am Wort Gottes

  • seit 1933 Bemühung um Bibel-und-Bekenntnis-ausgerichteten RU (Bohne 21931) / Nachkriegsfolge: ‚Kirche in der Schule’, Schulgottesdienste aber exklusiv homiletisch bestimmt’
  • schultheoretische Isolierung, Schülermotivations-Defizit, didaktische Abseitigkeit der „evangelischen Unterweisung“

2.4.Schülerorientierung

  • hohe RU-Abmeldequoten zwangen zum Umdenken / Kaufmann, Halbfas, neuestens performative RU-Didaktik / Bildungsziel „Befähigung zum Christsein“ (Grethlein)?

2.5.Ergebnis

  • Institution Schule für KdE Chance, aber auch Gefährdung / nur selten didaktische Herstellung des Zusammenhangs der drei Kommunikationsmodi gelungen, v.a. Kontextualisierung und Kulturkritik des Evangeliums unausbalanciert

 

 

3

3.Rechtlicher Rahmen

  • historisch christliche Prägung der Schulen in Deutschland fragil geworden (Kruzifix-Urteil: Verschiebungen zwischen positiver und negativer Religionsfreiheit / Art. 149 WRV ~ Art 7.3 GG / rechtlich ist inhaltliche Verantwortung der Kirchen für RU an staatlichen Schulen gesichert, aber staatliche Organisationshoheit (Altersklassen, Klassengrößen; Zeittakt; Bewertungsmodus) affiziert doch auch materialiter KdE
  • ‚Schulleben’ (incl. religiöse Tagungen); personaler Charakter von Kommunikation (Lehrerschaft)

 

4

4.Gegenwärtige Situation

4.1.Schule heute

  • „hochgradige Verrechtlichung aller Vorgänge“ wie „outcome“-orientierte kompetenzdidaktische Konzepte quer zu Unplanbarkeit von Kommunikationsprozessen: ‚subjektbezogene Bildung’ vs. ‚technokratische Erziehungsprogramme“
  • Ausbildung intrinsischer Motivation zum „Lernen“ gesellschaftsklimatisch erschwert (Sennett) / KdE ermöglicht Bearbeitung der Frage des ‚Lebenssinns’ / Lehreraus- und -fortbildung Schlüsselfrage

4.2.Lehren und Lernen

  • unterrichtlicher Zeittakt ein Hauptproblem, kompetitive Dimension auch: für Reflexion der KdE ‚Schulleben’ mit einbeziehen!

4.3.Gemeinschaftliches Feiern

  • Feiern ferienterminbedingt an christliche Hochfeste anlagerbar, aber im Vollzug durch Ferien zugleich erschwert
  • ökumenische bzw. multi- oder interreligiöse Begehung! / Ent-Eindeutigung im Vollzug mit problematischen Folgen für RU (Ex- bzw. Inklusivismus, pluralistische Religionstheorie); Brückenschlag durch biblische Weisheitstexte, Natur-Gleichnisse u.ä. möglich

4.4.Helfen zum Leben

  • unterrichtsüberschreitende Lernformen / Diakonische Bildung, Mediation, ‚Klassenrat’

4.5.Zusammenfassung

  • Verbindung von unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Lehr-Lern-Prozessen anstreben! / Gefährdung der KdE durch Einwirkungen von Staat wie Kirche, sofern deren Eigenlogik nicht pädagogisch gebrochen

 

 

5

5.Weiterführende Impulse

5.1.Kirchliche Schulen

  • evangelische Perspektive über den RU hinaus / Rezeption von Comenius („Unterrichten mit spirituellem Spürsinn“, quod? per quid? ad quid?) und Wagenschein („Bildungsdidaktik als Lehrkunst“, genetischer Ansatz)

5.2.Inklusion

  • „Inklusion III“ (Sander), Prinzip individueller Unterstützung / in Spannung zu konfessioneller Segregation im RU

5.3.Seelsorge-Raum

  • „Raum“ für KdE in Form von Beratung erforderlich; Beispiel Saarbrücken verbindet drei Kommunikationsmodi

5.4.Offene Fragen

 

 

§ 18

Kirche zwischen Institution und Organisation

  • seit 1969 hohe Austrittszahlen, 2010 erstmal mehr Katholiken denn Evangelische / ca. 5 Millionen Getaufte, die nicht der Kirchemitgliedschaftsregel folgen: Nötigung zur Begriffsklärung „Kirche“

 

 

1

1.Begriffsklärung

  • umgangssprachlich: Gottesdienst, Gebäude, Sozialform / Luther übersetzt ‚ekklesia’ als „Gemein[d]e“ (BSLK 656) / rechtlich: Kirchengemeinde, ‚mittlere Ebene’, Landeskirche [, EKD] / organisationssoziologisch (Hermelink): parochial, landeskirchlich, vereinskirchlich, konventskirchlich, funktionskirchlich.

 

2

2.Historische Entwicklungen

2.1.Spannungen

  • mimetische Ausrichtung / frühe Differenz-Spannungen (reich-arm 1.Kor 11; sprachlich-kulturell Act 6), Ausdifferenzierung (Mahlformen, Ämter) als Lösung ambivalent

2.2.Sakralisierung

  • Herausbildung von Ämterstruktur, orthodoxer Lehre, rituellen Charakters der Zusammenkünfte, ‚heiliger Orte’: aus Botschaft anbrechender Gottesherrschaft wird im 4. Jh. System der Daseins- und Wertorientierung mit Funktion reichsintegrierender ‚Religio’

2.3.Verstaatlichung

  • germanisches Eigenkirchenwesen, Personalunion von politischer Herrschaft und spiritueller Führung / Ausbildung hierarchischer Struktur überformt alle Kommunikationsmodi des Evangeliums (z.B. ‚Augenkommunion’)

2.4.Reformbemühungen

  • Luthers Reformimpuls: neues Kirchenverständnis („heilig“ kein Attribut mehr für Dinge, sondern nur das aller Getauften) / kommunikative Vollzüge, nicht besonders herausgehobenes Priesteramt, Konstitutivum von Kirche
  • analphabetische Mehrheit zeitigte Belehrungsbedarf
  • Helfen zum Leben am schwächsten ausgeprägt / Kastenordnung nicht durchsetzbar, durch Kritik an ‚Werke’-Soteriologie begünstigt / Ausfall in Kirchendefinition CA VII

2.5.Konfessionalisierung

  • erstes Schisma 1054, aber bewusstseinswirksam erst reformationszeitliche Kirchenspaltung, und dies endgültig durch staatliche Neuordnung 1803 (Aufbrechen der territorialen Separation der Konfessionen)
  • Konfessionalisierung als Kontextualisierung / verschiedene ‚Grundlegung’ von Kirche: juridisches Amt vs. Theologie; beiderseits Lehre dominant zugleich in frommer Praxis andere Differenzmerkmale
  • „lehrmäßig behauptete Unvereinbarkeit beider Interpretationsformen des Christentums“ behindert KdE

2.6.Volkskirche

  • Wichern, Schleiermacher, Fechtner (besonderes Staat-Kirche-Verhältnis, Partizipation durch partielle Identifikation, Anspruch auf öffentliche Teilhabe)
  • weiterhin Konzept mit Prägekraft in Deutschland, aber Abschwächungstendenz

2.7.Ergebnis

  • historisches Risiko: Kirche bzw. Amtsträger ersetzen KdE

 

 

3

3.Rechtlicher Rahmen

3.1.Staatskirchenrecht

  • Körperschaft des öffentlichen Rechts, Staatskirchenverträge / ambivalente Verknüpfungen, z.B. Kirchensteuer (LESt-Annex schwächelnde Steuerform, sich nicht an alle Mitglieder richtend, Entsprechung zu „Sozialform“ gem. KdE fraglich)

3.2.Kirchenrecht

  • Sohms These: Opposition von „Recht“ und „Wesen der Kirche“, römisch-katholisch/evangelische Grunddifferenz im blick aufs „Recht“ /  Ansatz evangelischen Kirchenrests beim Priestertum der Getauften, den Rechten des einzelnen

 

 

4

4.Gegenwärtige Situation

  •  KMU’s I-IV: Berichts-Titel sprechend

4.1.Kirche heute

  • (Schloz:) relative Stabilität, Wahrnehmungswandel von staatsanaloger Institution zu Organisation / Transformationsproblem: ‚klare Ziele’ in Spannung zur Unbestimmtheit der Mitgliedschaftsmotivation, Lebensstildifferenzierung

4.2.Lehren und Lernen

  • evangelische Kirche als „Bildungsinstitution“ (Preul) / von primär kognitiver Vermittlung am Ort ‚Schule’ seit 1970ern Ausdifferenzierung von Vermittlungsformen und Lernorten / Gemeindepädagogik:
  • Kindergärten, neuer: Kindertagesstätten
  • Konfirmandenunterricht, mögliche Zuordnung des Modus gemeinschaftlichen Feierns; von Passage-Ritus zu Lebensbegleitung / Konfirmandenarbeit, Konfirmandenzeit,; vielgestaltige Organisationsformen, veränderte MitarbeiterInnenschaft (jugendliche Teamer begünstigen symmetrische KdE) / Schwachstellen: Gottesdienst „langweilig“, Unterrichtsstruktur und –methoden noch dominant
  • Erwachsenenbildung: Spannung zwischen zeitdiagnostisch-gesellschaftskritischer und individuell-spiritueller Ausrichtung / neuerdings Seniorenbildung, Glaubenskurse / Lebenskundlicher Unterricht mit Breitenwirkung

4.3.Gemeinschaftliches Feiern

  • „Gottesdienste“: Wahrnehmung nicht auf Zusammenkünfte im Kirchengebäude am Sonntagmorgen beschränken, sondern Pluriformität beachten! / verbindendes Merkmal „symbolbezogenes Kommunikationsgeschehen, in dem mehrere Menschen untereinander und mit Gott im Medium der biblischen Tradition kommunizieren“
  • Veränderungen im Teilnahmeverhalten: „Festtagskirchgänger“ (Rau), Biographiebezug (Cornehl), evangelische Zurückhaltung gegenüber „Gemeinschaft“ Problem für Abendmahlsfeier (Verkirchlichungstendenzen überwinden?) / Festtagsgottesdienste, Lebens[Kasual]Gottesdienste zunehmend mit Beteiligung der ‚Beteiligten’, auch Einschulungsgottesdienste
  • „alternative Gottesdienste“ mit weitgehender Abweichung vom Sonntagvormittags-setting

4.4.Helfen zum Leben

  • Verbindung zum Modus gemeinschaftlichen Feierns in Erlebnisdimension gerissen (liturgisch: Gabenbereitung, Geldkollekte, Fürbitten), Seelsorge korrelierte noch zum Bußritus
  • Rezeption psychologischer Theoriebildungen / Klinik- und Anstaltsseelsorge: gelungene Kontextualisierung der KdE, zugleich problematische Adaption eines Exklusion fördernden technik-affinen Menschenbilds / „Alltagsseelsorge“ (Nähe zu ‚Lebenskunst’-Philosophieren), Notfallseelsorge
  • KdE zwischen Begleiten und Begegnen – aber: Separation von Seelsorgetätigkeiten verunklart „kirchliches Profil“

4.5.Zusammenfassung

  • organisierte Kirche wichtiger, aber nicht einziger Ort der KdE / divergente Effekte bei Mühen um Kontextualisieriung und Verknüpfung der Kommunikationsmodi

 

 

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5.Weiterführende Impulse

5.1.Kirchenreform

  • Lindner: Entwicklungsprogramm für Ortsgemeinden (Priorität Nahraum ≠ Parochie. Kasualien und Kirchenjahr als Form der Lebensbegleitung v.a. von Familien) / Pohl-Patalong: kirchliche Orte (überall ‚gottesdienstliches Leben’, aber Entflechtung von Vereinskirchlichem und inhaltlichen Schwerpunkten sowie des Dienstes von Professionellen und Ehrenamtlichen)
  • „Kirche der Freiheit“: „Wachsen gegen den Trend“ als Ziel / betriebswirtschaftlich instrumentiert, theologisch orientiert an Christentumstheorie Rösslers (dafür konzeptionell störend die Missionsthematik) / Versuch, Unorganisierbares zu organisieren, überfordert kirchliche Mitarbeiter / größere Weite von „Ekklesia“, über organisierte Kirche hinaus, übersehen

5.2.Konfirmandenarbeit

  • wegen besserer Integrration der Kommunikationsmodi gemeindepädagogische Modelle beachtlich: Hoyaer Modell, ergänzend KonfiCamps

5.3.Abendmahl mit Kindern

  • Verbindung Abendmahlszulassung-Konfirmation problematisch: entwicklungspsychologisch (pubertäre Ablösephase ungünstig für „mimetischem Vollzug“) wie theologisch (Ausschließung Getaufter vom Herrenmahl) / Widerspruch zu „Inklusions“-Bewegung / Veränderung der gemeindlichen Mahlpraxis durch Mitfeier von Kindern!

5.4.Offene Fragen

  • Engführung des Verständnisses von KdE auf innerkirchliche Kommunikation durch Reformation nicht aufgehoben (Luthers Vorstoß zu Stärkung der Familien und zu Grundsatzkritik kirchlicher Hierarchie nicht langzeitwirksam), ja seit Weltkrieg-I-Ende eher verstärkt / ‚Erhaltung der Kirche als Institution bzw. Organisation’ als ‚oberstes Ziel’ (auch EKD-Impulspapier) resignationsfördend
  • erfolgt – theologisch begründeter – Perspektivwechsel zu „Relativierung von (organisierter) Kirche im wörtlichen Sinn“ im Blick auf defacto KdE-trächtige „andere Sozialräume“? / Hindernisse: Verwaltungsformen incl. Kirchenmitgliedschaftsregel, Entscheidungsstrukturen

 

 

§ 19

Diakonie als Organisation am Markt

  • Diakonie, auch „empirisch zum Kernbereich kirchlichen Handelns zu zählen“, unter Konkurrenz / Spannung zwischen Kontextualisierung und kulturkritischer Dimension bearbeitungsbedürftig

 

 

1

1.Begriffsklärung

  • ‚diakonein’ als „vermittelnde Tätigkeit“, Fixierung von ‚Diakonie’ auf „Hilfehandeln“ in ntl Sprachgebrauch nicht zwingend begründet / Terminus im 19. Jh. erst nachträglich bemüht / der Sache nach kommunikativ: „Vermittlung von Gottes Zuwendung zu den Menschen“

 

 

2

2.Historische Entwicklungen

  • Ausbildung organisierter/institutionalisierter Diakonie: Notlage vieler Menschen (Industrialisierung) und bürgerliche Gesellschaft (zivilgesellschaftliches Engagement)

2.1.Innere Mission und Diakonie

  • Wichern: „innere Mission“ als Kirchenreformprogramm – ‚freie, bürgerliche, kirchliche’ Diakonie / Balancen zwischen materieller Hilfe und missionarisch-erzieherischem Impetus, Handeln auf intimer sozialer Ebene der Familie und anstaltsförmigen Einrichtungen, privater Initiative und institutionellem Handeln in Staat und Kirche / Verbindung von Vormodernem (Paternalismus) und Modernen (Frauenarbeit, Professionalisierung des Pflegens) / aktuell unzeitgemäßes Ideal eine Rechristianisierung der Gesellschaft

2.2.Weitere Entwicklung

  • Musterbeispiel von Kontextualisierung der KdE (und deren Ambivalenz): Beginn staatlicher Sozialpolitik > Wohlfahrtverbände; NS-Gleichschaltungspolitik > Verkirchlichung; BRD-Sozialstaat (Subsidiaritätsprinzip) > Ausbau und Professionalisierung; entstaatlichender Wettbewerb > Unternehmensförmigkeit

 

 

3

3.Rechtlicher Rahmen

3.1.Diakonie und Staat

  • doppelte Beziehung: Träger freier Wohlfahrtspflege (sozialrechtliche Konditionierung), Zugehörigkeit zur Kirche (Gestaltungsautonomie)

3.2.Diakonie und Kirche

  • Formel ‚Diakonie Wesens- und Lebensäußerung der Kirche“ arbeitsrechtlich zunehmend problematisch: Bindung an kirchliche Tarife vs. Wettbewerbsfähigkeit, politische Haltbarkeit des Dritten Wegs umstritten

 

 

4

4.Gegenwärtige Situation

  • Horizont unorganisierter Anteilnahme und gegenseitiger Hilfe bedeutsames Regulativ weiterer Innovationen

4.1.Diakonie heute

  • unternehmerische Diakonie, Gemeindediakonie, Verbandsdiakonie: komplexe Situation, in der konkretes Helfen zum Leben und innerorganisatorische Kommunikation auszubalancieren ist!

4.2.Lehren und Lernen

  • Beispiel Telefonseelsorge: diakonische Tätigkeit, Persönlichkeitsbildung, Bezug zum Alltag im Zusammenhang

4.3.Gemeinschaftliches Feiern

  • Verflechtung der Kommunikationsmodi greifbar: Fürbitten, Einbeziehung von Menschen aus diakonischen Einrichtungen in Gottesdienste (Gegenseitigkeit der KdE!)

4.4.Helfen zum Leben

  • Helfen als „Gabe und Gegenseitigkeit“ (Albert, Ricoeur)

4.5.Zusammenfassung

  • Kontextualität der KdE und dessen kulturkritische Dimension sind wahrzunehmen! / ‚Diakonie’ wirkt als ‚Ort’ zum ‚Durchbrechen von Erstarrtem und Ungewohntem’.

 

 

5

5.Weiterführende Impulse

5.1.Diakonische Kompetenz

  • ‚Präsenz als grundlegende diakonische Praxis’ – nur annäherungsweise: ‚Nicht-Intervention’

5.2.Interkulturelle Seelsorge

  • Konzentration von Theorie und Methode der Seelsorge auf Einzelfall mißweisend, Systemische Seelsorge lässt interaktiven Charakter konzeptionell zugänglicher werden

5.3.Diakonie als Unternehmen

  • Begrifflichkeit „Dienstleistung/Kunde“ anschlussfähig zur kommunikativen Struktur des Helfens zum Leben, ‚Assistentur’-Verständnis des Helfens respektiert Autonomie-„Würde des Risikos“ (Degen) / „Fürsorge“-Komponente als konkrete Grenzbedingung

5.4.Offene Fragen

 

 

§ 20

Medien als offener Kommunikationsraum

 

 

1

1.Begriffsklärung

  • „Jede Kommunikation vollzieht sich...vermittelt“ / Medienverbund, sozialer Kontext der Mediennutzung, rezeptionsästhetische Wirkungsoffenheit

 

2

2.Historische Entwicklungen

2.1.Presse

  • Verlagsgründungen / theologisch positionelle Blätter, Kirchengebietspresse und „Presseverbände“ seit 1910 (politisch und moralisch begründete Kulturkritik durch Interesse an Kontextualisierung abgelöst) / Hinderer, 1947 epd und 1970 idea als Konkurrenz / aktuell: Kirchengebietspresse relativ stabile Verbreitung, überregionale Präsenz im Markt stark zurückgegangen

2.2.Radio und Fernsehen

  • ‚Film und Hörfunk’ lange Gegenstand der (auch kirchlichen) „Schmutz und Schund“-Polemik / „’private Rezeptionssituation’ in einem ‚Unterhaltungsmedium’“ (v.Boeckmann) Reizmerkmale v.a. für evangelische Theologie/Kirche (z.B. Stapel 1931) / Offenheit erst nach Ende der Dominanz von Wort-Gottes-Theologie

2.3.Kirchliches Konzept

  • 1951/1973 GEP; 1979 Publizistischer Gesamtplan der EKD, unsicher Verhältnisbestimmung zum ‚Verkündigungsauftrag’ / Differenzierung freier Redaktionen und kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit

 

 

3

3.Rechtlicher Rahmen

  • Art 5 Abs. 1 GG, Medienfreiheit vom Rezipienten her begründet / öffentlich-rechtliches System und private Anbieter; Drittsenderecht erspart Kirchen eigenen Sender

 

 

4

4.Gegenwärtige Situation

4.1.Evangelische Publizistik heute

  • keine verlässlichen Zahlen für kirchliche Printmedien / Fernsehgottesdienste mit – auf niedrigem Niveau – steigender Einschaltquote

4.2.Lehren und Lernen

  • Evangelischer Erwachsenenkatechismus / Filmgesellschaft EIKON, im professionellen Markt konkurrenzfähig, „Luther“ fördert Lernprozesse im Modus der Unterhaltung / vielfältige online-Präsenzen

4.3.Gemeinschaftliches Feiern

  • Zielgruppenspezialisierung der Hörfunkprogramme, Musikdominanz, Abblendung kirchlichen Hintergrunds der Wortbeiträge (Jugendradio), Initiierung personaler Anschlusskommunikation wichtig / Fernsehgottesdienst als „mediale agora“ (Act 17), ökumenische Dimension erfüllt, Vorwurf ‚fehlender Gemeinschaft’ durch Rezeptionsforschung widerlegt (communio medialis als ausreichend gefühlt) / internet-Gottesdienste

4.4.Helfen zum Leben

  • Telefonseelsorge / Gebets-Chats, zwischen kirchlichem Rahmen und Selbsthilfegruppe oszillierend

4.5.Zusammenfassung

  • konfessions-, teilweise religionsübergreifende KdE in den Medien / nicht staatlich, sondern marktförmig organisierte Prozesse

 

 

5

5.Weiterführende Impulse

5.1.Beteiligung

  • z.B. im Gottesdienst klaffen protestantische Gemeindebeteiligungsnorm und faktische Pfarrerzentrierung auseinander / internet pflegt egalitäre Kommunkationsformen, Niedrigschwelligkeit ist Angriff auf, Aushöhlung von überkommener Konfessionsdifferenzierung

5.2.Netzwerke

  • ‚multilokale Mehrgenerationenfamilie’ als Exempel aufkommender Netzwerkförmigkeit der Kommunikation (technisch: „social media, „communities“)

5.3.Offene Fragen

  • Verhältnis personaler/apersonaler Kommunikation herkömmlich theologisch-kirchlich zugunsten face-to-face-Kommunikation bewertet / trotz unablösbar interaktionsgebundener Formen des KdE (Taufe, Abendmahl) und anthropologischer Leibgebundenheiten (Geburt, Tod) die historische Plastizität (Generationen-Übergänge) von Kommunikationsformen nicht unterschätzen! / zugleich aber: ökonomische Exklusion vieler von sekundären wie tertiären Medien evangelisch problematisch

 

 

7. Kapitel: Kommunikation des Evangeliums – durch verschiedene Tätigkeiten

  • de facto und theologisch ist Pfarrberuf (problematisch: „Schlüsselberuf“) der Kommunikation des Evangeliums durchs ‚Priestertum aller Getauften’ nachzuordnen / Berufsfunktionen: qua theologische Ausbildung Förderung der KdE (Übertragungsmedium) und Perspektive Speichermedium; qua Ausbildung und Status Stabilisierung der KdE in Öffentlichkeit
  • kontextueller Hintergrund: Mündigkeit und Selbstbestimmung in Daseins- und Wertorientierung durch aktuelle gesellschaftliche Formation prämiiert

 

§ 21

Ehrenamtliche / freiwillige Tätigkeiten

  • Engagement von Menschen ohne Bezahlung und Streben nach hauptberuflicher Tätigkeit für Kirche wie Diakonie unerlässlich

 

1

1.Historische Entwicklungen

1.1.Alte Kirche und Mittelalter

  • ursprünglich durchweg entgeltlose Funktionsausübung / Patenamt dauerhaft so (wenngleich im Eltern-Todesfall mit materieller Verpflichtung) / Sakralisierung der Gemeinden: Entwicklung bezahlter Hauptämter

1.2.Reformatorische Impulse

  • Gemeindeorganisation in verschiedenen Kontexten (Luther: allgemeines Priestertum, Calvin: Vier-Ämter-Lehre; Prägnanz der Ehrenamtlichen, Konzentration auf Einzelgemeinde) / Luther: Eltern, Paten, Obrigkeit, Pfarrfrau

1.3.Weitere Entwicklungen

  • im 19. Jh. ehrenamtliche Synodale / Aufbau diakonischer Tätigkeiten / Sonntagsschul-Helferinnen / GruppenleiterInnen des ‚Gemeindelebens’ / Laienprediger(innen)
  • im Zuge von Professionalisierung und Kontext ökonomischer Prosperität Abdrängung ehrenamtlichen Engagements / Wahrnehmung von Verlusten christlicher ‚Kompetenz’

1.4.Zusammenfassung

  • Verkörperung des „Lebensweltbezugs“ kirchlicher und diakonischer Arbeit

 

 

2

2.Rechtlicher Rahmen

  • rechtliche Regelung nur der leitenden Tätigkeiten Ehrenamtlicher (Verfahren für Wahl und Berufung) / in Sektoren: Ausbildungen vorausgesetzt / neuerdings liturgische Akte

 

3

3.Gegenwärtige Situation

3.1.Freiwilligendienst

  • Freiwilligensurvey: Bereitschaft zu ehrenamtlichen Tätigkeit stärker gewachsen als faktische Ausübung, Motivation Gemeinwohl und eigene Interessen

3.2.Kirchliche Ehrenämter

  • EKD-Statistik 2008: zu 70% Frauen / in allen Modi der KdE tätig

3.3.Attraktivität

  • in der Konkurrenz um Freiwillige die Unterstützungsfaktoren beachten: Beginnen, Begleiten, Beteiligen, Bezahlen, Beenden / Verhältnis Haupt- und Ehrenamtliche angemessen gestalten
  • Freiwilligen-Engagement unter Druck verkürzter Schul- und Studienzeiten, beruflichem Leistungsdruck

 

 

4

4.Reformvorschläge

4.1.Ehrenamt und Gemeinde

  • Gemeindemodell „Karawanserei“ (Foitzik): Gemeindehaus als Raum für Hilfe zum Leben im Volatilen

4.2.Ehren- und Hauptamt

  • Seelsorge-Theorie Desiderat (Hauschildt): Ehrenamtliche Alltagsseelsorge, Professionellen zuarbeitende Seelsorge, semiprofessionelle Seelsorge“; Beachtung der ‚Alltagsseelsorge’ bewahrt vor Verengung auf ‚Bildungs’-Milieu

 

 

5

5.Ausblick

  • Unterscheidung und Wechselseitigkeit ehren- und hauptamtlicher Tätigkeit, auch in Prozessen der Fort- und Weiterbildung

 

 

§ 22

Pfarrberuf

 

 

1

1.Historische Entwicklungen

  • in Tradition ntl gemeindeleitender Funktionen, Bruch mit christentumsgeschichtlich gewachsener sakraler Begründung

1.1.Klerikalisierung

  • Pastoralbriefe (Handauflegung), Hebräerbrief (‚Hoherpriester’ Christus) / Bischofsamt, subsumiert örtlich selbständige Dienste, Parochialsystem / Ausbau des Messwesens, Verfall der Priester-Bildung / ‚Vermittlung göttlicher Heilsgaben’, kognitiv unverständliche Riten

1.2.Reformatorische Impulse

  • tauftheologische bzw. funktionale Begründung (theologische Bildung erforderlich, erst später durchgesetzt) / evangelisches Pfarrhaus Zeichen der Zölibatskritik
  • gegenläufig bei Luther: Rezeption der Drei-Stände-Lehre (extrem später Vilmar)

1.3.Entwicklung des Pfarrberufs

  • Praxiskontext konstitutiver Teil des Berufsverständnisses / jahrhundertelang unzureichende Alimentierung / Missverhältnis zur Gemeinde durch Versessenheit auf dogmatische Korrektheit, ‚Verbauerung‘, Volkserziehung, Frömmigkeits- bzw. Bildungselite / ab Mitte 19.Jh. modernisierungshalber Status-Einbußen, reaktive Konzentration auf Kirchengemeinde-„Leben“ (soziologisch: vereinsförmig) / Wiedergewinn von Prominenz durch Entwicklung des Bischofsamtes nach I. Weltkrieg

1.4.Konkurrierende Pfarrbilder

  • seit Fragwürdigwerden des ‚Kulturprotestantismus’ sich überlagernde „Optionen“: Pfarrer als ‚Zeuge’ (konfrontativ, ideologiekritisch im NS), „restaurativer Frömmigkeitsintegrator“ mit Lebensweltkontaktverlust, „Teamleiter“ und „engagierter [Bürgerinitiativ-]Sprecher“ (Drehsen) / Frauenordination, Infragestellung patriarchalisch geprägten Pfarrhauses, Entwicklung von Teildienstverhältnissem
  • Stärke funktionalen ‚Amtsverständnisses der Reformatoren’

1.5.Zusammenfassung

  • Kommunikationsbezug verlangte „sensible Adaption des jeweiligen Kontextes“ / ‚bunte Berufsformation, aber in gemeinsamem ‚Rückzug’ auf die Gemeinde’

 

 

2

2.Rechtlicher Rahmen

  • nach Übernahmen aus CIC und staatlichen Regelungen (landesherrlicher Summepiskopat) seit 1939 eigene Pfarrdienstrechtscorpora

2.1.Staatliches Recht

  • Öffentlichrechtlichkeit, Anlehnung an Beamtenrecht mit Besonderheiten (geistliches Ordinationskriterium vs. ‚Bestenauslese’, Stufung von Dienstbezügen fragwürdig) / Beicht-, Seelsorge-, Dienstgeheimnis

2.2.Kirchenrecht

  • ‚geistlich-rechtlich’_Unterscheidung zwischen Ordination und Pfarrdienstverhältnis / Ordination vielfach mit Inklination zu ständischer Ausrichtung / Unabhängigkeit (Trennung Disziplinar- bzw. Lehrbeanstandungsverfahren) / EKD-Pfarrerdienstgesetz

 

 

3

3.Gegenwärtige Situation

3.1.Statistische Befunde

  • von 1966 auf der Allensbacher Berufsprestige-Skala von Platz 2 auf Platz 7 zurückgefallen / Zahlen-Relation Pfarrer/Kirchenmitglieder von 1910 bis 2000 halbiert, sinkende Selbstverständlichkeit von Kirche und gestiegener Umfang binnenkirchlicher Kommunikation / gewisse Feminisierung des Pfarrberufs mit Verstetigungstendenz / „Pfarrberufe“ im Plural (Becker)?

3.2.Einstellungen

  • EKD-KMU’s „Pfarrer ‚Schlüsselfigur’ für den Zugang...“, aber in etlichen Milieus nicht; Kompensation dieser ‚Marginalisierungstendenz’ durch Expansion der Arbeitszeiten (dabei ca. 40% Verwaltung, Gremien, MitarbeiterInnen-Gespräche)

3.3.Veränderungen in der Arbeitsorganisation

  • neben Visitationen nunmehr auch Mitarbeiter-Jahresgespräche / schwache Kooperationsbereitschaft
  • Individualisierung der PfarrerInnen – Milieuverengung der Kirchengemeinden

 

 

4

4.Reformvorschläge

4.1.Andersartigkeit des Pfarrers

  • Josuttis: Ausdruck von Spannungsreichtum des Berufs, einseitige Auflösung durch Formel „Führer in die Zone des Heiligen“ lässt allgemeines Priestertum vergessen

4.2.Pastorale Profession

  • Karle: Einordnung in Professionen Befreiung aus Abseits-Stellung / Besonderheit im Sachthema „Heil“
  • Kritik: „Professionsbrüche“ infolge kirchlicher Marginalisierung (anders als Krankenhaus und Gericht ist Kirche kein ‚Muss’ mehr) / Definition durch Sachthematik gegen symmetrisch kommunikativen Charakter des Pfarrberufs

4.3.Pastorale Person

  • Klessmann: Bedeutung der Persönlichkeit, aber bestimmt als „verwundeter Heiler“ / Spannung zwischen gebotener Symmetrie und gegebener Asymmetrie kommunikationstheoretisch beachtlich

 

 

5

5.Ausblick

  • funktionale Asymmetrie (theologisches Expertenwissen) und grundsätzliche Symmetrie (alle Getauften) braucht KdE-förderliche Balance
  • Verständnis als „theologischer Beruf“! / christliche Gemeinde (grundsätzlich symmetrische) „Interpretationsgemeinschaft (Dalferth) mit Ziel der KdE; Evangelium kein fixer Gegenstand, sondern sich „in Kommunikationsprozessen ereigne[nd]“; kontinuierlich wechselseitiges Aufeinander-bezogen-sein von Übertragungs- und Speichermedium / PfarrerInnen müssen besondere Kenntnisse zur Erschließung des Speichermediums einbringen
  • Vermehrung von Frauen im Pfarrberuf fördert funktionales Amtsverständnis

 

 

§ 23

Andere kirchliche Berufe

  • quantitativ v.a. auf diakonischen Aufbruch des 19. Jh. und Professionalisierungsschub der 1970er Jahre zurückgehend
  • wesentlich Aufgabe der Balance zwischen Orientierung am christlichen Grundimpuls und an professionellen Standards

 

1

1.Historische Entwicklungen

1.1.Pluriformität

  • in ntl Zeit zahlreiche Bezeichnungen ohne trennscharfe Aufgabenbestimmung / besondere Ausprägungen von Bischof, Diakon, Küster, (Vor-)Sänger u.a.; weitgehend in priesterliche Hierarchie aufgesogen

1.2.Reformatorische Impulse

  • Küster, Kantor. Lehrer; Tätigkeiten oft in Person der Lehrers verknüpft, Trennung Kantor- und Lehrberuf erst am Ende 1920er Jahre

1.3.Weitere Entwicklungen

  • Diakonisse [spezialisiert später: Kindergärtnerin], Diakon; lange vereinschristentumgebunden / Kirchenjurist / ReligionslehrerInnen, Vokation als Kirchenbezug / Publizisten / GemeindepädagogInnen (stärkere Stellung in den DDR-Kirchenbundskirchen durch Wende gebrochen)

1.4.Zusammenfassung

  • Ungleichheit in Stellenbeschreibung und Entlohnung problematisch

 

 

2

2.Rechtlicher Rahmen

  • Unterschiede in konkreter Anstellungsträgerschaft und Beschäftigungsform / privates staatliche Arbeitsrecht maßgeblich, plus Loyalitätsklauseln / Konzept ‚kirchliche Dienstgemeinschaft’ umstritten / sparprogrammbedingte Absenkung der Dienstbezüge mehrfach riskant

 

 

3

3.Gegenwärtige Situation

3.1.Statistische Befunde

  • Stellenreduktionen drängen in Grauzone zwischen haupt-, neben- und ehrenamtlicher Arbeit (z.B. Kirchenmusik, Journalismus) / ‚Mitarbeiter-Profil für Diakonie’: Frauenanteile, Teilzeitanteile, religiöse Zugehörigkeit (regional große Unterschiede)

3.2.Evangelisches Profil

  • doppelte soziale Verankerung (Kirchlichkeit und weltliche Professionalität) / EKD-Richtlinie 2005 sucht Kompromiss zwischen Personalbedarf und Mitgliedschaftsdefiziten / Gleichsetzung von organisierter Kirche und faktischer KdE problematisch

 

 

4

4.Reformvorschläge

  • Arbeitspapier der Kirchenbunds-Synode 1975 !!

4.1.„Gemeinschaft verschiedener Dienstträger“

  • Stufen der ‚Weihe’ bzw. nachreformatorisch der formalen Bildung als problematisches Distinktionsmerkmal / Aufgabenbereiche ‚Wortverkündigung, Seelsorge, Diakonie und Gemeinschaft’ plus ‚Organisation und Leitung’: gemeinsam als „Bezugsperson“, spezifiert als ‚Gemeindetheologe, -pädagoge, -fürsorger, -musiker’ / Umsetzung an Ausbildungs- und Statusfragen gescheitert

4.2.Aus-, Fort- und Weiterbildung

  • Spannung von christlichem Profil und professioneller Fachlichkeit wahren; musterhaft die Doppel-Qualifikation der DiakonInnen; Berufsbegleitendes für alle anderen Berufe! / Fernstudium; rpi-virtuell beispielgebend in der Struktur symmetrischer Kommunikation

 

 

5

5.Ausblick

  • berufliche Tätigkeit als Form der KdE identifizierbar halten und die jeweiligen Standards kulturkritisch befragen / (Beispiele aus pflegerischen und anderen Berufsfeldern [‚outcome’-Didaktik, ergebnisfixiertes Chorproben, funktional dominierte Raumkonzepte]) / KdE-Bezug ‚weiter und genauer’ als Anwendung der Kirchenmitgliedschaftsregel
  • Bereitschaft zu lebenspraktischen ‚Entdeckungsreise’ erforderlich / neue Gemeinschaftsformen der so Tätigen erproben

 

 

8. Kapitel: Kommunikation des Evangeliums – mit verschiedenen Methoden

  • KdE als generationenübergreifendes Kontinuum von Lernprozessen; Ergebnisoffenheit methodisch sichern
  • den Modi der KDE entsprechen ‚Kommunikation über Gott’, ‚Kommunikation mit Gott’, ‚von Gott kommende Kraft’ / ‚gott konkret als Gegenstand, Ziel und Ausgangspunkt von Kommunikation’
  • Auswahlkriterien: Elementarität, Relevanz in evangelischen Kirchen

 

§ 24

Grundbedingungen: Zeiten und Orte

  • Exempel von Kontextbedingungen, Korrelation mit Sicherheitsstreben vieler Menschen
  • kulturelle Imprägnierung (Kirchenjahr, Kirchengebäude) aktuell unter Konkurrenz

 

 

1

1.Zeiten

1.1.Kosmologisch-anthropologische Grundlagen

  • Wechsel von Tag/Nacht, Mondphasen, Jahreszeiten, Lebensalter / Zeitrhythmen konstitutiv für soziale Integration / Bezug auf Endlichkeit des menschlichen Lebens

1.2.Biblische Perspektiven

  • Tages- wie Jahreszeiten, Mondphasen, Sieben-Tage und Wochensabbat (Neh 13,28: vom Schöpfungs-Geschenk zum strafbewehrten Gebot)
  • frühchristlich: Verdrängung des Sabbat durch Sonntag
  • Relativierung jeder Zeitstruktur („Tag des Herrn“, „Zeit erfüllt“)

1.3.Kirchenjahr

  • drei „grundlegende Differenzierungen“: kirchliches/weltliches Jahr, Festtag/Alltag, Gottesdienst-Geschehen vs. volkskulturelles Leben (Fechtner) / Festkreise, Sonntage, Heiligenfeste / Luthers funktionale Sicht des Sonntags

1.4.Neue Zeitrhythmen

  • ökonomisch geprägtes Zeitverständnis, Beschleunigungsfolgen / Elektrifizierung der Städte (Entwicklung abendlicher Geselligkeitsformen) / Urlaub / arbeitsfreies Wochenende / Zerdehnung der Übergänge im Leben

1.5.Reformvorschläge

  • christliche ‚Relativierung von Zeit’, ‚funktionslose Aus-Zeiten’ gesellschaftskritisch brisant
  • Gottesdienst am Abend bzw. in der Nacht attraktiv, Empfehlung von „Sonntagskirche“ (liturgische Praxis im Kontext neuer Freizeitkultur)
  • „gelebtes [„elementares“] Kirchenjahr in anthropologisch profiliertem 4-Felder-Schema (Fechtner)

 

 

2

2.Orte

2.1.Anthropologisch-kulturgeschichtliche Grundlagen

  • Zusammenhang geographischer Gegebenheit mit Vorstellungswelt der EinwohnerInnen, z.B. Berge und Wasser / Heiligkeit und Tabu

2.2.Biblische Perspektiven

  • Anknüpfung an primäre Religionserfahrung / grundlegende Relativierung von ‚Orten’ für kommunikation mit Gott

2.3.Kirchengebäude

  • schon frühe Prägung der Zusammenkünfte durch ‚Versammlungs-Zentrierung’ sowie ‚ex-zentrische Ausrichtung auf Gott und Christus’ / Märtyrer-Grabeskirchen, Hauskirchen, Basilika; neue Bautechniken
  • Luther: statt ‚Tempel’ Kommunikationsraum für Menschen / Kanzel im Mittelpunkt, Bestuhlung (ständische Nebenfolge: kostenpflichtige Sitzordnung) / neue Baugestaltung (Repräsentativität) aufgrund barocken Lebensgefühls
  • restaurative Eisenacher Regulative, ent’katholisierendes’ Wiesbadener Programm / nach 1918 dominierend Bartnings Konzepte („Raumspannung“, Notkirchen nach 1945) / neue Baustoffe, Mehrzweckräume (nicht durchgesetzt (fehlende Balance primärer/sekundärer Religionserfahrung) / katholische Liturgiereform: freistehende Altäre, Kommunionsprozession (Wegfall trennender Kommunionbänke)

2.4.Neue Raumformationen

  • Trennung von Wohn- und Arbeitsbereich ließ Funktion von Kirchen als Kristallisationpunkt von Stadtteilen obsolet werden / Spezialkirchen: Citykirchen, Jugendkirchen, Autobahnkirchen / Fernsehgottesdienste multitopisch, Kontextualisierung durch Liturgisierung des Hauses

2.5.Reformvorschläge

  • Umnutzung von Kirchengebäuden, Freiraum für Modus-Verschiebungen der KdE (z.b. Projekt sozialen Wohnungsbaus) / Kirchenraumpädagogik als KdE im Modus sinnenübergreifender symmetrischer Lehr-/Lernprozesse

 

 

3

3.Zusammenfassung

  • in Veränderungsprozessen Funktionalität kirchlicher Zeit- und Raumkonzepte beachten! / statt als Bedeutungsverlust und ‚Entweihung’ als neue Akzentsetzung auffassen

 

§ 25

Lehren und Lernen: Kommunikation über Gott

  • Erzählen grundlegend, Predigt bezieht Erzählung und Gespräch aufeinander / Authentizität der Kommunizierenden bedeutungsvoll / vorzügliches Medium: Bibel (‚Speichermedium so zu interpretieren, dass Evangelium als Übertragungsmedium präsent bleibt’!)

 

 

1

1.Erzählen

1.1.Anthropologisch-kulturgeschichtliche Grundlagen

  • schon in vorschriftlichen Kulturen leistet Erzählen Austausch über vergangenes und Zukünftiges sowie soziale Integration (Scheffel) / Interpretations- und Aktualisierungsprozess in erzählend-hörender Kommunikationsgemeinschaft / Nähe zur Mimesis (Bilder, Theater)

1.2.Biblische Perspektiven

  • auf Weiterzählen angelegt: zielt „nicht auf das Ja oder Nein der Wahrheit, sondern auf ein Mehr oder Weniger an Relevanz“ (Weinrich) / Abendmahl mit Mimesis-Charakter, auch Taufe Partizipation am Geschick Jesu

1.3.Systematische Bestimmungen

  • US-Theologie, Weinrich, Metz (v.a. Würdigung der Leidensgeschichte nicht ohne memorative Narration!); potenziell subversiv

1.4.Methodik

  • religionspädagogische Wurzeln / Bedeutung der ‚Phantasie’ / methodische [hermeneutische] Differenz zwischen Neidhart und Steinwede (und je spezifische Schwächen), lernpsychologisches Schema (Grethlein)
  • Bibliodrama, narratives Predigen

1.5.Weitere Kommunikationsformen

  • traditionelle Bekenntnisformulierungen (Apostolicum), Bilder (von antiken Bibelillustrationen bis Bibelcomics), Bücher und Filme (Resonanz über organisierte Kirche hinaus)

 

 

2

2.Miteinander Sprechen

2.1.Anthropologisch-kulturgeschichtliche Grundlagen

  • Sprachbefähigung als anthropologisch-evolutionärer Prozess seit 35.000 Jahren / ‚Dialog’ (seit Platon bedeutsam)

2.2.Biblische Perspektiven

  • Beispiele (Nathan-David, Hiob-Freunde, Mose-Gott, Gott-Jona) / Jesu Streitgespräche, Lernen Jesu Mt 15,24 (menschliche Not vs. dogmatisch behauptete Exklusion)

2.3.Systematische Bestimmungen

  • christentumsgeschichtlich schwach ausgeprägte Fähigkeit zum – ergebnisoffenen – Dialog (machtpolitisch überformt!) /
  • in ökumenischer Bewegung einheitsorientierte interkonfessionelle Dialoge, Leuenberger Konkordie / interreligiöse Dialoge, von Respekt vor Andersartigkeit getragen; z.B. christlich-buddhistische (elitär oder lebenswelt-kompatibel?)

2.4.Methodik

  • Unterricht und Seelsorge: offene Gesprächssituation maßgebliches Paradigma der KdE / Unterrichtswirklichkeit oft im Gegensatz zu idealer Kommunikationssituation / in Seelsorge psychoanalytische settings rezipiert; Rogers: inhaltliche Reflexion der KdE schwach ausgeprägt

2.5.Weitere Kommunikationsformen

  • neue Formen elektronischer Kommunikation niedrigschwelliger / gemeinsames Schweigen als situative Verdichtung möglich

 

 

3

3.Predigen

  • Dialogizität in Schlüsselrolle fürs Verständnis von Predigen: Rezeptionsästhetik, Kasualpredigt, Kommunikation über Gott zu Kommunikation mit Gott öffnend

3.1.Anthropologisch-kulturgeschichtliche Grundlagen

  • öffentliche Reden gesellschaftlich wichtige Instrumente der Integration / antike Rhetorik (Belehren, Bewegen, Erfreuen) / synagogaler Lehrvortrag und Diatribe

3.2.Biblische Perspektiven

  • wie in anderen Schriftreligionen bedarf die heilige „Schrift“ ‚öffentlicher Auslegung und Aktualisierung’ / biblisch dokumentierte Reden: redaktionsgeschichtliches Produkt? kontextuell anders als gegenwärtig, ohne besonderen Ort und ohne besonders Beauftragte

3.3.Systematische Bestimmungen

  • in Alter Kirche pluriforme Gestaltung und homiletische Probleme / Reformation: Bedeutung der HörerInnen; ab 17. Jh. Krise der ‚orthodoxen’ Predigt (auch durch gedruckte Erbauungsliteratur)
  • „Anpredigen“ als Desavouierung von autoritärer Einweg-Kommunikation / dagegen Langes „Predigtstudien“, Eco („offenes Kunstwerk“)

3.4.Methodik

  • Engemann: „taktische Ambiguität“ bewusst einsetzen, Animation der HörerInnen zum eigenen ‚Weiterschreiben’ der Predigt / Versuche in Alternativen Gottesdiensten (Friedrichs) / empirische Rezeptionsforschung (Schwier) / durch Nicol rezipiertes „Preaching from Within“

3.5.Weitere Kommunikationsformen

  • Alternativen zur Kanzelrede eines Einzelnen: Gesprächsgottesdienste (sich nicht durchsetzend), „Kreuzverhör“ (gegen pastorale Bevormundung und Langatmigkeit)

 

 

4

4.Zusammenfassung

  • Grundlage ‚Bibel’ unter Bezug auf primärreligiöse Erfahrungen, Transformation in ‚sekundärreligiöse Konzepte’ erweiteter Horizont der Kommunikation über Gott / Pluriformität der Kommunikationsmodi / Ermöglichung von Interpretationsräumen für die HörerInnen durch neuere Ansätze

 

§ 26

Gemeinschaftliches Feiern: Kommunikation mit Gott

  • wesentlich leibbezogene Kommunikationsmethoden, in Spannung zu „Exkarnation“ christlicher Religion

 

 

1

1.Beten

1.1.Anthropologisch-kulturgeschichtliche Grundlagen

  • Gebet nicht religionen-universal (gegen Heiler), wohl aber global verbreitet / Bitte und Wunsch nach Gemeinschaft mit hoffnungsvoll gesuchtem Gegenüber

1.2.Biblische Perspektiven

  • AT: Verhaltensausdrücke primärer Religionserfahrung / NT: Schwerpunkt auf Bitten (Jesus) bzw. Dank und Fürbitte (Paulus)

1.3.Systematische Bestimmungen

  • im Mittelalter Gebetskrise: Abkopplung des lateinischen liturgischen Gebets vom Alltags-Beten (magische Tendenz) / Reformation betonte kommunikativen Charakter des Gebets / Pietismus individualisierend, Aufklärung: Gebet als ‚Andachtsübung’
  • seit 1970er Jahren Herausforderung ‚interreligiöses Gebet’ / evangelisch LK-Vorschlag 2006 / römisch-katholisch: Friedensgebet Assisi 1986, unter neuem Pontifikat Kehrtwendung bis zu räumlicher Separation / Fähigkeit zu elementarer Formulierung erforderlich

1.4.Methodik

  • Mimesis wichtigste Lernform / Zubettgehgebet: ‚Übergangsobjekt’, entängstigend / Nachvollzug von Gesten eröffnet eigentümlichen Kommunikationsraum schon ohne Worte
  • schulische Religionsdidaktik: von Vernachlässigung des Betens-Lernens in Phase der Dominanz des Kognitiv-Reflexiven zum Neu-Ansatz des Performativen / Erweiterung kommunikativer Kompetenz des Heranwachsenden / Gemeindepädagogik / Seelsorge-Theorie: „Erziehung des Wunsches“ (Klessmann); Alltagsseelsorge: Beten als Performanz von Selbstdifferenz

1.5.Weitere Kommunikationsformen

  • Ausweitung des Gebetsverständnisses zum Lebenshorizont überhaupt schon reformatorisch / stumme Kontemplation / Meditation

 

 

2

2.Singen

  • gesellschaftlich widersprüchliche Situation des Singens heute

2.1.Anthropologisch-kulturgeschichtliche Grundlagen

  • Gehirnforschung: Singen nicht aus dem Sprechen entstanden, evolutionsgeschichtlich älter / mit Bewegung verbunden, hohes ‚Vereinigungs-Potential’ (vgl. auch Josuttis)

2.2.Biblische Perspektiven

  • Singen zu selbstverständlich denn als erwähnenswert / Lobgesänge kosmos-umspannend / NT: Ekstatik und Verständlichkeit (1.Kor 14,15) in christentumsgeschichtlich fortdauernder Spannung

2.3.Systematische Bestimmungen

  • emotionaler Zugang durch Musik in Christentumsgeschichte immer wieder als Gefährdung erlebt und untersagt / ab 8. Jh. Orgeln und Chöre
  • Durchbruch des Gemeindegesangs in der lutherischen Reformation (Schöpfungsgabe, Ermöglichung aktiver liturgischer Partizipation) / Rückkehr affektstimulierender Kommunikationsform ins Christentum!
  • erneute ‚Domestizierung’: vielstrophige Lieder, Gesangbuch, Auseinandertreten von „geistlichem“ und „weltlichem“ Lied, gottesdienstliche Liedertafeln („Partizipation durch Exekution vorgeschriebenen Verhaltens“ [Josuttis])
  • neuer Impuls: Negro Spirituals, akzentuierte Leiblichkeit

2.4.Methodik

  • kirchenmusikalische Kontextualisierungsmühen (Fan-Gesänge in Fußballstadien); Melodien-Übernahme aus Populärkultur, Alternatim-Praxis

2.5.Weitere Kommunikationsformen

  • Glossolalie, Instrumentalmusik, Tanz (Sequeira, feminstische Körperarbeit)

 

 

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3.Abendmahl feiern

  • dogmatisch anscheinend klar „Sakrament“, kommunikationstheoretisch undeutlich: kaum Gemeinsamkeiten in der Form (Zugangsbedingungen, Orte, Zeit und Häufigkeit, Feiergestalt)
  • Rückbesinnung auf ‚mit christlichem Grundimpuls verbundene Sinngestalt’ ratsam / Chancen und Gefahren der Kontextualisierung

3.1.Anthropologisch-kulturgeschichtliche Grundlagen

  • ‚um Leben und Tod’, Elemente primärreligiöser Erfahrung: Überlebensnotwendigkeit von Essen und Trinken, Fundierung kommunikativer Gemeinschaft, Verbindung mit Erinnerung

3.2.Biblische Perspektiven

  • Jesu letzte Mahlzeit von ihm auf Wiederholung gedacht? de facto: nur mimetisch zu begehende Gemeinschaft mit Christus über dessen Tod hinaus / Paulus: solidarische Gemeinschaft, darum: Trennung von Sättigungs- und Erinnerungsmahl

3.3.Systematische Bestimmungen

  • Sinn- und Feiergestalt seit Alter Kirche in wechselseitiger Abhängigkeit; Deutungen der Sinngestalt: Vorwegnahme eschatologischen Freudenmahls, Todesgedächtnis Jesus, Danksagung und Opfer, Gemeinschaft mit Christus und der Gläubigen / Meßopfer westliche Fehlentwicklung
  • Bauer nach EGb: bloß ‚symbolisches’ Mahl als „Hinweis“ auf Gottesherrschaft, Abendmahl und Diakonie (Kollekte), „liturgische Zeitaufhebung“ (Einbezug der Verstorbenen und Nach-Kommenden – im Gebet möglich) / Zusammenhang Taufe/Abendmahl!

3.4.Methodik

  • empirische Rezeptionsforschung: Atmosphäre muss auf kulturelle Kontextualisierung achten [2 Beispiele: Festessen, Party-Form], nicht ohne Exklusionsrisiken... / Gemeinschaft: Zulassung von Kindern, Kontext der AIDS-Seuche

3.5.Weitere Kommunikationsformen

  • Komplementarität des Fastens, eucharistische Nüchternheit als Wahrnehmungs-Sensibilisierung

 

 

4

4.Zusammenfassung

 

§ 27

Helfen zum Leben: Kommunikation von Gott her

  • Zuwendung Gottes zum Menschen Grundlage jeder Kommunikation mit ihm, bedarf menschlicher Vermittlung

 

 

1

1.Segnen

  • paradoxe Entwicklung: Kirchenbindung Vieler gelockert, Sehnsucht nach ‚Kraftquellen’ und ‚intensiven persönlichen ‚Erfahrungen’ steigend / Balance zwischen Aberglauben und dogmatischer Reflexion wichtig

1.1.Anthropologisch-kulturgeschichtliche Grundlagen

  • Sehnsucht jedes Menschen nach Wohlergehen / Grenze zur Magie fließend, Theologisierung ermöglicht Grenzziehung zu Ergebnisoffenheit des Vertrauens auf Gott

1.2.Biblische Perspektiven

  • familiärer Kontext und kreatürliche Seite Gen 27 / wirkungsgeschichtlich erheblich aaronitischer Segen / im NT Jesus zugeschriebene Personal- und Sachbenediktionen, Paulus-Schule verschmilzt „Christus“ mit Segen

1.3.Systematische Bestimmungen

  • katabatische Grundstruktur dieser KdE von Überformung zu Manipulation Gottes bedroht: Abwehr-Funktion wuchert, ‚Weihwasser’-Kritik der Reformatoren (Luther)
  • neuerdings wieder entdeckt (feministische Perspektive): ‚mütterlicher’ Antidoketismus, „Leiblichkeit und Sinnenhaftigkeit“, aktivitätsunbedürftig

1.4.Methodik

  • Personalbenediktion unter Handauflegung / Reserve gegenüber ‚Priester’-Gebundenheit
  • Sachbenediktionen theologisch nur sinnvoll im Blick auf ‚Verwendung durch Menschen’ / Balance Kontextualisierung/Kulturkritik schwierig / Kriterium 1 Tim 4,4

1.5.Weitere Kommunikationsformen

  • Salben / Stehen vs. Knien / Fluchen

 

 

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2.Heilen

2.1.Anthropologisch-kulturgeschichtliche Grundlagen

  • Krankheitsverständnis kulturbestimmt (Ursachen?) / modern-naturwissenschaftliches Paradigma nicht generell durchgesetzt

2.2.Biblische Perspektiven

  • im AT fehlen einschlägig konturierte Begrifflichkeiten / NT: Jesu Heilungen in Vielzahl, einheitliche Auffassung Krankheit/Heilung fehlt / Krankensalbung Jak 5,13ff wirkungsgeschichtlich bedeutend

2.3.Systematische Bestimmungen

  • Modifikation der Krankensalbung durch Priestergebundenheit zur Letzten Ölung / Luthers Ent-Sakramentalisierung führte zum Wegfall in evangelischen Kirchen
  • römisch-katholische Revision durch Vat II / anglikanisch/US-amerikanische Differenzierung ‚cure/healing’, Ermöglichung sinnvoller Kooperation mit Ärzten; Erwartung an Heilungshandeln im Ritus präzisiert, Überschätzung moderner Medizin verhindert / Problem der Endlichkeit medizinisch nicht zu lösen

2.4.Methodik

  • evangelische Salbungsgottesdienste, Atmosphäre wichtig (‚Reisesegen’) / einzelseelsorgliche Handlungen

2.5.Weitere Kommunikationsformen

  • Buße und Beichte / reformatorischer Protest gegen Legalismus und Kasuistik, aber keine Lösung für überzeugende Gestalt der Buße
  • pastoralpsychologische Kritik des Beichtritus, von „Beichte“ zu „Beratung“ / Angemessenheit der Transformation des altkirchlichen Konzepts fraglich; Einzelbeicht-Nachfrage bei Kirchentagen

 

 

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3.Taufen

  • Moment der Passivität dieser Form der KdE wesentlich

3.1.Anthropologisch-kulturgeschichtliche Grundlagen

  • Element Wasser referiert auf primäre Religionserfahrung / Initiation, religionswissenschaftliche Typen (age group, esoteric, vocational); ‚Taufe’ zwischen Typ 1 und 2 oszillierend

3.2.Biblische Perspektiven

  • jüdische Taufbewegung als Hintergrund christlicher Taufe / Taufe in unterschiedlichem Kontext und mit pluriformer Deutung verbunden / Röm 6: lebenslanger, bis zum Tode reichender Prozess

3.3.Systematische Bestimmungen

  • historisch: Taufe verlor Bezug auf katechetisches Handeln, Ethik, Abendmahl / reformatorisch kein gestalterischer Impuls für Taufpraxis (Nominalismus-Prägung Luthers hinderte Würdigung der Taufsymbole) / Pietismus und Aufklärung: Spannung zwischen Konzepten von ‚Entschiedenheit und Bewusstheit’ und am Handeln Gottes orientierter Liturgie, Degeneration zum Familien-‚Geburts’-Fest / späte Kindertaufkritik (Barth) verfehlt Feiercharakter

3.4.Methodik

  • heutige Aufgabe, lebenslang prozessualen Charakter der Taufe wiederzugewinnen:
  • fünf Grundsymbole: Kreuz, Wasser, Namen, Handauflegung, Kerze
  • Kasualien als Rekapitulation / agendarische Gemeindegottesdienstbindung rückfragewürdig

3.5.Weitere Kommunikationsformen

  • Exorzismus, als deprekatorischer Modus auch aktuell diskutabel

 

 

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4.Zusammenfassung

  • gegen Tendenzen zur ‚magischen’ Instrumentalisierung Gottes dialogisch-ergebnisoffene KdE! / ‚cure/healing’-Differenzierung weiterführend / familiäre Verankerung der Taufe als individueller ‚MimesisJesu’-Gestalt würdigen!

 

 

Zusammenfassung des 3. Teils

  • Zielpunkt der KdE: neues Verständnis des alltäglichen Lebens
  • Balance zwischen Kontextualisierung und Kulturkritik
  • Frage nach der medialen Form
  • Dysfunktionalität der konfessionellen Spaltung
  • Analyse konkreter Methoden:
    • Erzählen, Beten, Segnen
    • beim Predigen, AbendmahlFeiern, Taufen ist kontextuell-kulturkritisch ausbalancierte Transformation von Sinngestalt in Feiergestalt wichtig
    • Sprechen, Singen, Heilen: wechselseitige Überführung von professionellem Wissen und gelebtem Leben
  • theologische Ausbildung: von Stoffplänen auf ‚living human documents’ umstellen / Befähigung zur Wahrnehmung der KdE in der Balance von Kontextualisierung und Kulturkritik

 

 

 

© Frithard Scholz

13.03.2014