Liebe Schwestern und Brüder!
“Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, zu dem du berufen bist”.
1900 Jahre etwa ist es her, da schrieb ein alt gewordener Lehrer der Christenheit es einem jüngeren ins Stammbuch, der es wohl werden sollte, der aber noch recht unerfahren auf der Schwelle des neuen Amtes stand. Was für ein Rat ist ihm da auf den Weg gegeben worden? Nun, das ist jedenfalls keine Dienstanweisung speziell für Pfarrerinnen, auch kein Ordinationsprotokoll von der Art, wie es uns heute vormittag beschäftigen wird. Eher ist es eine Ermunterung schlicht zu dem Leben, das uns durch unsere Taufe eröffnet worden ist. Wenn man so will, ist dieses Wort darum der älteste Konfirmationsspruch der Kirche.
Sie, liebe Vikarinnen und Vikare, sind keine Konfirmanden und wollen es auch nicht mehr sein. Sie wollen ordiniert werden. Aber es hat ja miteinander zu tun. Immerhin erklären uns die Liturgiker, wie die Konfirmation und die Ordination als Ableitung von der Begründung des Christseins durch die Taufe zu verstehen seien. Und dann noch eins.
Knapp fünfunddreißig Jahre ist es her, da sagte ein im Amt liebenswürdig ergrauter Pastor einem Dreizehnjährigen dieses Wort aus dem 1. Timo-theusbrief als Konfirmationsspruch zu. Der Konfirmand - Sie ahnen es wohl - war ich. Und vielleicht ist heute morgen die rechte Zeit einmal auszusprechen, was mir dieses Wort bis heute vom Christsein zu verstehen gegeben hat. Mag sein, daß es Ihnen mit dem Ordinationsspruch, den Sie sich gewählt haben, auch einmal so gehen wird.
Also noch einmal: “Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, zu dem du berufen bist”.
Auf den ersten Blick erweckt diese Mahnung ja den Eindruck, als wäre das Christsein, das Leben im Glauben nämlich, nur eine auf fromm stilisierte Art des menschlichen Daseins überhaupt. Sagt doch von dem die Allerweltsweisheit derer, die einiges abgekriegt haben, das Leben sei halt ein Kampf. ‘Man muß einstecken, kann aber auch austeilen’ heißt es da. ‘Halte dich nur wacker - und du wirst schon sehen: am Ende zahlt es sich schon noch aus.’ Wie ein entsagungsvoller Marsch durch unwegsames Gelände erscheint dann der Glaube; man muß sich ordentlich abrackern, um nicht auf der Strecke zu bleiben - aber das Ziel, endlich erreicht, ist entsprechend großartig und entschädigt dann für alles: ewiges Leben, nach dem Tod, im Himmel.
Nach landserhaften Durchhalteparolen klingt das. Aber damit hat der Apostel, Gott sei Dank, nichts im Sinn. Nicht will er unsereinen auf Deubel komm raus mit dem Hinweis aufs Ewige in einen Kampf auf Leben und Tod hetzen. Und genau so wenig liegt ihm daran, all den unkämpferischen Typen unter uns das wahre Christsein insgeheim abzusprechen. Nein, seine Ermunterung zum guten Kampf des Glaubens erklingt eher im Tone eines Glückwunsches, wie wenn einer jemandem von Herzen alles Gute wünscht. Denn daß das Leben uns in Kämpfe verwickelt - Kämpfe ums Anerkanntsein in der Meinung der Leute, um die Findung eines Lebensstils, vielleicht auch mal um die Erhaltung des Lebensstandards: das weiß er sowieso. Gerade deswegen aber wünscht er uns, daß wir Christen uns doch nicht an den falschen Fronten verkämpfen, nicht im Labyrinth überflüssiger Sorgen verlieren, nicht mit höchst zweitrangigen Problemen uns abplagen, als ginge es ums Letzte. Darum ist sein Wort zunächst ein freundlich erinnernder Wunsch für uns: Kämpfe den guten Kampf, den des Glaubens.
Sodann steckt darin schon auch eine Feststellung: Glauben heißt Kämpfen. Wer glaubt, der wird auf Widerstände treffen, der wird in Streit hineingeraten mit anderen, die nicht denselben Herrn haben, der wird zu kämpfen haben für sein Christsein. Da gibt’s kein Vertun. Das liegt einfach daran, daß das mit dem Glauben eben ganz und gar keine selbstverständliche Angelegenheit ist, die sich egalweg mit allem verträgt, was die Verhaltensregeln so verlangen, zumal auf dem Dorfe. Auch wenn das so aussehen mag, als wäre das Christsein nur eine mit etwas altmodischen Gewohnheiten verbundene Art, Bürger unseres Landes zu sein. Nicht daß ein Christ nach diesem Motto ‘Glauben heißt Kämpfen’ den Kampf suchen müßte! Der wird sich schon von selbst einstellen, wo die Aufrichtigkeit nicht mehr auf dem Altar des Sich-nicht-ausschließen-wollens geopfert wird - Authentizität sagen wir heute gerne. Und wir brauchen uns da auch nicht auf die großen Szenen zu präparieren - es kommt dann doch ‘ne Nummer kleiner: Schwert und Todesmut waren gar nicht gefragt, als Petrus der Magd im Hof des Hohenpriesters in die Hände lief; nur ein klareres Wort wäre das Wahre gewesen.
Dieser notwendige Kampf des Glaubens - das ist das Dritte - nimmt uns in mehrfacher Weise in Anspruch. Nicht nur für den Pfarrer gilt es: er ist “anders” (um es mit Josuttis zu sagen). Wer glaubt, ist “anders”. Er wird auffallen, nicht mehr einfach mitmachen, Unerwartetes tun können. Wer sich auf diese unselbstverständliche Art des Lebens einläßt, hat in sich selber einen Kampf zu bestehen mit der ganz natürlichen Vorliebe für den Unglauben: dem Wunsch nämlich, das eigenen Leben im Kleinen wie im Großen nach den vertrauten Regeln zu gestalten, statt Gott darüber bestimmen zu lassen, wo es hingehen wird. Wer sich auf den Glauben eingelassen hat, der kommt nicht um den Kampf herum mit der Neigung, scheinbar wohlmeinenden Ratgebern das Ohr zu leihen, die ihm zeigen wollen, wie man Gottes Wasser auf die eigenen Mühlen leiten kann. Und wer aus Glauben heraus praktische Konsequenzen zieht, muß gerüstet sein zum Kampf mit entmutigenden Menschen um ihn herum - mag sein: gar nahestehenden: Vater, Mutter, Frau und Kindern - mit Menschen, deren Freundschaft zu erhalten ihn verleiten kann zu dem unmöglichen Unternehmen, Jesus nachfolgen zu wollen und doch bei niemandem anzuecken.
Danach ist es freilich - viertens - eine merkwürdige Art von Kampf, dieser Glaubenskampf. Was wir so gemeinhin mit der Vorstellung von Kämpfen verbinden: den Willen, sich selber durchzusetzen; die Fähigkeit, Angriffen zu widerstehen; die Erfahrung, aus eigenem stärker zu sein als ein Gegner - all das spielt hierbei gar keine Rolle. Der gute Kampf, der des Glaubens, ist nämlich einer, den zuerst und in aller Liebe Gott selber gegen mich führt und gewinnt. Und er gewinnt ihn so, daß ich dabei nicht verliere - jedenfalls nichts verliere als die Unfähigkeit der Berufung zum ewigen Leben wirklich zu folgen, die ja schon längst ausgesprochen war - in der Taufe.
Das ewige Leben zu ergreifen: das ist ja nicht das letztendliche Ziel des Glaubenskampfes, nicht sein Zweck, nicht seine Folge nach dem Leben in dieser Zeit. Nein (und das ist das Fünfte und Letzte!) - nein, “den guten Kampf des Glaubens kämpfen” und “das ewige Leben ergreifen” sind zwei Ausdrücke für dasselbe! Zwei Ausdrücke für das eine: Daß ich bei allem eigenen Planen und Gestalten mein Leben von Gott bestimmen lasse. Daß ich offen bin für Erfahrungen des Widerspenstigen, des Überraschenden, des Ungewollten, die mich dann führen mögen, wohin ich nicht will. Daß ich ernst damit mache, nicht im eigenen Namen mehr zu leben, sondern im Namen dessen, der bei der Taufe zu mir sagte: “Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!”
Ein Menschenkind wird Gotteskind, berufen zu ewigen Leben. Das ist die einzige Berufung, die Gott ausspricht. Mag es auch andere Berufungen geben: ein Hilfspfarrer wird einmal Pfarrer, ein Student (wer weiß?) Professor, eine Vikarin (kommt Zeit, kommt Rätin) gar Oberlandeskirchenrätin. Alles ehrenwerte Stufen auf der Karriereleiter des Lebens, das wir kennen und können. Aber letztlich ankommen wird’s nur auf eines: den guten Kampf des Glaubens kämpfen und das ewige Leben ergreifen, zu dem wir berufen sind.
Zum Schluß: Ein paar Erfahrungen mit einem, mit meinem Konfirmationsspruch hatte ich Ihnen weitergeben wollen. Vielleicht habe Sie Zwischentöne gehört: von Kierkegaard, von Karl Barth. Sei's drum. Auch Konfirmanden lernen weiter - im Gespräch mit den Schwestern und Brüdern, den lebendig begegnenden und den gedruckten. Das gehört dazu, daß wir nicht aufhören, uns gegenseitig zu ermutigen dazu, daß wir den guten Kampf des Glaubens kämpfen und das ewige Leben ergreifen, zu dem wir berufen sind. Insofern bleiben wir alle miteinander, was wir nach unserer Taufe nur sein können: Konfirmanden.
Amen.