keine Leitkultur, überhaupt kein "Leiten"

 

Felix Stalder, Kultur der Digitalität, [Suhrkamp] Berlin [2016] 52021

Lese-Notizen von Frithard Scholz

 

  • Niemand sollte mehr denken, das im bundesdeutschen Wahlkampf 2021 zu einem Schibboleth aufgerückte Stichwort „Digitalisierung“ habe vorzugsweise mit flächendeckender Glasfaserverkabelung zu tun, mit der hardware-Ausstattung von Schulen und Öffentlichen Verwaltungen oder überhaupt der Verbreitung von PC’s und nachfolgenden Geräten, die smartphones ausdrücklich zu erwähnen.
  • Dabei wäre Felix Stalder, laut Wikipedia Professor für Digitale Kultur und Theorien der Vernetzung in Zürich, der letzte, der die Relevanz von all diesen handfesten technischen, administrativen, ökonomisch-marktförmigen Faktoren der s.E. eingetretenen Dominanz von „Digitalität“ kleinreden würde. Einer Dominanz, die ihm als Resultante zahlreicher historischer Zufälligkeiten, im Ganzen aber als „Folge eines weitreichenden, unumkehrbaren gesellschaftlichen Wandels“ (11; Kursivierung FS) gilt – so die Ansage vorweg. Denn Digitalität ist für ihn vor allem ein kulturelles Phänomen, von dem es zu erzählen gibt: ein Narrativ.
  • Das geschieht über weite Strecken durchaus im Plauderton des Welterklärers. Umso mehr fällt der straighte definitorische Tonfall auf, in dem Stalder seinem Narrativ die Bestimmungen seiner beiden Titel-Begriffe vorausschickt, extravagante Angebote semantischer Konvention, die Leser*innen eingehen, gleichsam als Eintrittskarte lösen müssen, um sich die Erkenntnisse des Büchleins aneignen zu können:
    • „Kultur“ genannt seien (in kategorialer Abgrenzung zu allen Vorstellungen eines – und sei‘s nur zum Zeitpunkt txfixen Bestandes von ‚Sinn‘ o.ä.) die „Prozesse“ des „Verhandelns“ und „Realisierens“ „sozialer Bedeutung, also [der] normative[n] Dimension der Existenz“ (16), inklusive der „Konflikte darüber, welche Referenzrahmen für welche Felder und für welche sozialen Gruppen zu gelten haben“ (17);
    • „Digitalität“ bezeichne das „Set von Relationen, das heute auf Basis der Infrastruktur digitaler Netzwerke in Produktion, Nutzung und Transformation materieller und immaterieller Güter sowie in der Konstitution und Koordination persönlichen und kollektiven Handelns realisiert wird“ (18). Uff – dichter (und ansprüchlicher in der Reichweite auf der Sach-Ebene) geht’s kaum; kein Wunder, dass am Ende noch die historische These abfällt „[Die] Präsenz der Digitalität jenseits der digitalen Medien [sc. deren Technologie; FS] verleiht der Kultur der Digitalität ihre Dominanz“ (20).
  • Stalder verpasst seinem Narrativ „Wege in die Digitalität“ keine externe, begrifflich zwingende Logik, präpariert es aber als Roten Faden des von Leser*innen Erlebten und für sie Erinnerlichen derart, dass die vorgenannte historische These als empirisch gedeckt erscheint. Der Rote Faden ist zu Knoten aus historischen Fasern verdickt, die hier pars pro toto benannt seien.
    • Der erste Knoten ist völlig technologiefrei, zumindest -fern gewirkt. Seine ‚Fasern‘ nennt Stalder schlagwortartig „[a] Aufstieg der Wissensökonomie, [b] Kritik an der Heteronormativität, [c] fundamentale Kulturkritik durch den Postkolonialismus“ (23; […] eingefügt FS).

[a] meint den Teilprozess, in dem „Kreativität“, das Generieren bislang unbekannter ‚Regeln‘ (von ästhetischem Empfinden bis zu technischem Funktionieren) an Reputation gegenüber ‚bloß‘ regelbefolgender Produktivität gewinnt, und in dem die „Affekte“ in ihrer (auch ökonomisch!) konstruktiven Relevanz entdeckt und Zug um Zug aus ihrer rationalistisch angetriebenen Marginalisierung befreit werden.

[b] zeichnet, zunächst an bundesdeutschem Beispiel ab 1970 exemplifiziert, einen anderen Teilprozess nach: In dem werden nicht-heterosexuell disponierte Praktiken unter Männern zunächst entkriminalisiert, damit einher flacht die moralische Diskriminierung dieser Disposition durchs labeling als „deviant“ ab (wenngleich das „[Weiterleben von] Homophobie[…] in den Tiefen des kollektiven Gemüts“ [48] zu Recht unverschwiegen bleibt; und es wächst – der Einfluss von J.Butlers philosophischer Kritik am „Essentialismus“ wird passager erwähnt (47) – allmählich die kulturelle Metanorm legitimer Richtigkeit des Individuellen weil voneinander Verschiedenen auf, „gegen starre Zuschreibungen[…]das Wandelbare, Hybride und Einzigartige“ (48).

Teilprozess [c] meint die nachhaltige Problematisierung eurozentrischer ‚Weltanschauung‘, die Zersetzung des Gestus von „Hegemonialität“ (51f) durch allmählichen Austausch des Weltmodells einer nach Zentrum/Peripherie strukturierten „Einheit“ durch eines „irreduzibler Vielheit“ (54), die (wenn denn überhaupt) durch die Erfüllung der Erwartung permanenten Aushandelns im geteilten Wissen um die zeitliche und soziale Kontextualität von Konsensen zusammenzuhalten ist.

Das tertium comparationis der ‚Fasern‘ dieses Knotens liegt auf der Hand. Arrangiert von Stalder. Die Akzeptanz von Vorgegebenem schwindet weiter [verrät sich hier das absolutistische Epitheton „unumkehrbar“ von S. 11?], an dessen Stelle rückt die Faszination vom Machenkönnen ein; die Konjunktur der Reflexionstermini „Essentialismus“ oder auch „Konstruktivismus“ zeigt das, Epiphänomene die sie sind. Und: Wer will schon kontrolliert werden? – aber die Reziprozität von „Kontrolle“ und „Kommunikation“ im Sinne der internet-Grundwissenschaft Kybernetik [Breite und Genauigkeit des Wiener-Zitats 83 Anm 85 unterstreicht dessen Bedeutung für Stalders Narrativ!] erinnert an die lebensweltliche Ambivalenz der Reichweite von „Digitalität“.

  • Auf diesen komplizierten Knoten folgen zwei schlichte, aus einer [a] eher ästhetisch bzw. [b] eher technisch dominierten ‚Faser‘, einander so komplementär, dass sie je länger desto schwerer trennbar miteinander ‚verfilzen‘.

Als [a] „Kulturalisierung der Welt“ (58) verschlagwortet Stalder die Ausbreitung der „kulturellen und affektiven Dimension in der Ökonomie“ (59), exemplifiziert am Strukturwandel des „Design“. An die Stelle des ‚Ein-für-allemal-perfekt‘-Ideals der Rams-Schule, das zur Generierung von maß-gebenden Gestaltungen führte, die Nutzer*innen entlasten und zweckrational ‚standardisieren‘, sei seit den frühen 1970ern ein Interesse an interaktiver Symmetrie getreten: „Entdeckung des Publikums[…], Appropriation, Transformation und Rekombination als Methoden[…], der Anspruch, die Lebenswelt des Nutzers zu formen“ (63). Zwar habe „Entpolitisierung und Kommerzialisierung dieser Muster“ neue Asymmetrien eingeschlichen wie die Inszenierung von „Erlebniswelten“ (63), aber der Impuls, „Generierung sozialer Bedeutung“ als „ökonomische Aktivität“ (66) aufzufassen und zu betreiben, habe sich durchgesetzt und so, gleichsam durch die Hintertür des infrastrukturellen Internet, die „Einbeziehung von Nutzern in den Produktionsprozess“ (67) etabliert.

Wobei - trotz aller Lernbereitschaft des Lesers - die Exemplifizierung einer mit Digital-Kultur nicht recht kompatiblen Design-philosophy an den "Designprinzipien von Dieter Rams" kaum wirklich einleuchten will. Angesichts der erwähnenswerten Markterfolge der digitalen (nicht nur: hardware-)Angebote von Apple inc. - obwohl für sie auch der Jahrzehnte zuvor anderweitig einschlägige Werbeslogan "es war schon immer etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu haben" hätte gelten können,

Die [b] „Technologisierung der Kultur“ (68) habe eingesetzt mit Holleriths Lochkarten-Erfindung 1881 und der Technik maschineller Verarbeitung von Information, der extrem hohen Ressourcenerfordernisse halber jahrzehntelang, am äußersten Rand öffentlicher Wahrnehmung, Angelegenheit stiller hightech-Spezialist*innen in staatlichen und wirtschaftlichen Großorganisationen. Erst im Zuge der Neuen Sozialen Bewegungen der 1960er seien die Massenmedien, beiläufige Mit-Nutzer jener Technik, als eigenmotivierte Akteure gesellschaftlicher Kommunikation wahrgenommen worden: „Öffentlichkeit“ durch die Massenmedien nicht nur neutral ‚abgebildet‘, sondern mit rekonstruierbaren Interessen ‚hergestellt‘! Herausforderung und Anreiz, sich mit konkurrierender ‚Herstellung‘ medial einzumischen, wurde einer wachsenden Subpopulation von Aktivisten durch die zunehmende Verfügbarkeit erst analog-, ab den 1990ern auch digital-elektronischen equipments erleichtert: Medien wachsen auf zu „umfassenden Umgebungen[…], in denen wir leben“ (73).

  • Ein nächster Knoten – „Netzwerke als Handlungsraum“ – indiziert den Überschritt von einem gedanklichen Konzept zu dessen elektronischer Reïfizierung.

Im Klima der Neuen Sozialen Bewegungen der 1960er seien Visionen konsens-basierter „Gemeinschaft“ als Gegenentwürfe zur hierarchischen Sozia-Organisation „Bürokratie“ experimentell realisiert worden; der erfahrene Zeitbedarf zur Konsensfindung habe alsbald die Limitierung auf ‚Kleinheit‘, im Bedarfsfall Segmentierung, erzwungen. Weniger technologieavers als die europäischen „Gemeinschaften“ konnten die US-amerikanischen sich den zeitgleich im Entstehen begriffenen militärisch/wissenschaftlich/ökonomisch motivierten Entwicklungen zum Internet öffnen, die ebenfalls auf Dezentralität, Flexibilität, Selbstorganisation setzten – und „communities“ von einander ‚live‘ unbekannten Nutzern ermöglichten, die von freiwilliger Partizipation und selbstbestimmten Regeln getragen wurden. Als für sein Narrativ zukunftsträchtig-programmatisch platziert Stalder die Formel des internet-Pioniers David D. Clark (1991) „Was wir ablehnen: Könige, Präsidenten und Wahlen. An was wir glauben: grober Konsensus (rough consensus) und ausführbare Software (running code)“ (86) – eine pragmatische Entradikalisierung der Forderungen von „Gemeinschaften“ an affektiv aufgeladene Totalidentifikation. – „Netzwerk“: was als Metapher bodenständigen Protests gegen die Vergewaltigung des Gewachsenen durchs Konstruierte aufgetreten war, setzt sich durch im Medium von high sophisticated Technologie.

Einerseits als für die „Digitalitäts“-Historie strategisch folgenreich wird die zwischen 1975 und 1990 eingerissene Spaltung der „Digitalitäts“-Entwickler hervorgehoben: zwischen profit-interessierten „Unternehmern“ (die Software durch Lizenzierungen dem zuvor üblichen flottierenden „Teilen“ entzogen wie Bill Gates) und Aktivisten wie Richard Stallman, der mit „GNU General Public License“ (89) dem antihierarchischen Geist der Wechselseitigkeit von „Entwicklern und Anwendern“ (89) Entfaltungsraum freihalten wollte, oder ab 1991 auch Linus Torvalds, dem Initiator einer internet-basierten „Freie-Software-Bewegung“ (91). Andererseits platziert Stalder die Skizze dieser Spaltung als Ausgangspunkt für seine positionellen Abschluss-Reflexionen über „Richtungen des Politischen in der Digitalität“ (203ff), die er als „Postdemokratie“ und „Commons“ etikettiert.

  • Der letzte Knoten markiert den explosionsartigen Durchbruch der „Digitalität“ „von den Rändern ins Zentrum der Gesellschaft“ (92); lediglich zwei Namen genügen, ihn zu charakterisieren: die Marktauftritte des „iPhone“ und von „Facebook“.
  • „Nur weil die meisten kulturellen Prozesse unter den Bedingungen der Digitalität durch gemeinsame formale Eigenschaften wie diese [sc. Referentialität, Gemeinschaftlichkeit und Algorithmizität] charakterisiert sind, ist es überhaupt sinnvoll, von der Kultur der Digitalität im Singular zu sprechen“ (95). Diesem quasi-definitorischen Satz lässt Stalder einen explikativen (100-seitigen) 2. Teil seines Buches folgen. [Phänomenologisch vieles darin, was über meinen ‚Erlebnishorizont‘ hinausgeht; das wird in den folgenden Notizen übersprungen.]
    • „Referentialität“. Ein gekünstelter Terminus, der ebenso Lateiner wie Luhmann-Kenner noch ratlos lässt, ohne präzise Äquivalente in etablierten Wissensformen – er erlaubt Stalder eine freihändige Bestimmung seines Begriffs: Gemeint ist „eine Methode, mit der sich Einzelne in kulturelle Prozesse einschreiben und als Produzenten konstituieren können“ (95). Also ein Umgang mit Varianten „geteilter sozialer Bedeutung“, die zwischen denen Beziehungen herstellt, die „Quellen“ erkennbar sein lässt und „frei“ mit ihnen hantiert. Später trägt Stalder noch drei nähere Bestimmungen (117: „Handlungstypen“) des ‚Referenzierens‘ nach: (a) Das „[Lenken] der Aufmerksamkeit auf gewisse Dinge“ (117) [hier erstaunt den kritischen Leser, wie rückhaltlos Stalder hier „essenzialistisch“ argumentiert: „Mikrohandlung[…]durch den Einsatz einer Ressource, die sich nicht vervielfältigen lässt[…]und die für jeden Einzelnen unabänderlich beschränkt ist: die eigene Lebenszeit“!! [116]] – (b) „Herstellen von Verbindungen zwischen den vielen Dingen, auf die Aufmerksamkeit gelenkt wird“ (122) – (c) „Verändern [der] Dinge, die ausgewählt und zusammengeführt wurden“, d.h. die „Bedeutung [zu] variieren“ durch Entfernen oder Hinzufügen von etwas (123). – Als Illustration dieser „Methode“ (95) führt Stalder u.a. künstlerische performances wie das „Reenactment“ oder die subkulturell global verbreiteten Praktiken des „Cosplays“ an (119ff).
    • „Gemeinschaftlichkeit“: diese „formale Eigenschaft“ schreibt Stalder, wiewohl andererseits erkennbar Sympathisant individualisierungs- ja singularitätstheoretischer Ansätze der Gesellschaftstheorie, der „Kultur der Digitalität“ mit besonderer Emphase zu – und widmet drum deren Bestimmung ein besonderes Maß an Differenzierung. Zunächst legt er Wert auf „die etwas sperrige Wendung ‚gemeinschaftliche Formationen‘[…], um den Begriff ‚Gemeinschaft‘ zu vermeiden“ (131) – in Kritik an der von Tönnies in „strukturkonservativem“ (132) Interesse aufgemachten Dichotomie (vs. „Gesellschaft“). Treffendere Bezeichnung der „neuen Formen der Gemeinschaftlichkeit, die sich in den Verästelungen des vernetzten Lebens entwickeln“ sei der „angloamerikanische Begriff ‚community‘“, des Näheren sogar community of practice (von Lave/Wenger, 135); er akzentuiere die Focussierung eines Kollektivs von Akteur*innen auf wechselseitigen „Wissens- und Fertigkeitstransfer“ ungeachtet von (in spezifischeren Kontexten wirksamen) Unterschieden der „Wissens- und Erfahrungsniveaus“ (selbst wenn er nicht immun sei gegen, professionalisierungsinteressiert, verengende Vereinnahmungen). Insbesondere das „gemeinschaftliche Erstellen, Bewahren und Verändern des interpretativen Rahmens, in dem Handlungen, Prozesse und Objekte eine feste Bedeutung und Verbindlichkeit erlangen“ (137) lasse jene „gemeinschaftlichen Formationen“ analytisch als zentralen Faktor der „Kultur der Digitalität“ erscheinen.

In den Rahmen dieses Verständnisses zeichnet Stalder ein, was als (a) Leistung dieser Formationen aufzufassen ist, und (b) Modalitäten der Teilnahme Einzelner eben daran.

(a) Unter Bedingungen der Dominanz der „Kultur der Digitalität“ ist nichts mehr ‚selbstverständlich allgemein‘, sondern alles kontextuell spezifiziert und respezifizierungsbedürftig – der dekonstruktivistische Blick. Weder „Raum und Zeit“ (deren transzendentalistische Verlagerung als „Formen reiner Anschauung“ ins subjektive Erkenntnisvermögen durch Kant wird überboten) noch die Kategorisierung eines erscheinenden Etwas als Etwas – alles resultiere aus „gemeinschaftlicher Praxis“ (146): ‚was nah ist und was ferne‘, was als „schnell“ und was als „langsam“ (149) gilt, ebenso wie die Reputierlichkeit von Phänomenen als wissenschaftliche Erkenntnis oder als Kunstwerk (wie Marcel Duchamps 1917 ein fabrikmäßiges Urinal durch Aufbringen einer Signatur um-label-t, ist ein frühes Spitzen-Beispiel; 153).

(b) Der Einzelne kann und muss sich aussuchen, an welcher Formation ein teilnehmen will – ist dann aber „bei Strafe seiner permanenten Benachteiligung“ (U.Beck; 130) zum eigenmotivierten und aktiven ‚Mitspielen‘ unter (und d.h. auch: aktivem Fortbilden der!) Regeln der gewählten Formation verpflichtet: Stalders Formeln dafür sind „ambivalente Freiwilligkeit“ (156) bzw., mit David Singh Grewal, „Macht der Soziabilität“ (160f). Es beginnt elementar mit der permanenten Generierung von „Aufmerksamkeit“ (139), setzt sich fort in Konformität mit der formationsinternen Kompetitivität und mündet in die Hinnahme von meritokratisch ‚sich ergebenden‘ „Autoritäten“ (163).

  • „Algorithmizität“ – für Nicht-Mathematiker höchst dankenswert, bietet Stalder (allerdings nur fast! Der ingeniöse Hinweis [165f] auf Borges‘ verrätselte Erzählung „Die Bibliothek von Babel“ bleibt im Weiteren leider nahezu unaufgegriffen; FS) eingangs eine quasi-lexikalische Definition: „Ein Algorithmus ist eine Handlungsanweisung, wie mittels einer endlichen Anzahl von Schritten ein bestehender Input in einen angestrebten Output überführt werden kann[…]Damit eine Handlungseinweisung zum Algorithmus wird, muss sie in dreifacher Hinsicht determiniert sein. Erstens müssen die Schritte, einzeln und in ihrer Gesamtheit, eindeutig und vollständig beschrieben sein.[…] Zweitens müssen die einzelnen Schritte zusammen praktisch durchführbar sein.[…] Drittens muss eine Handlungsanweisung mechanisch ausführbar sein, damit sie unter unveränderten Voraussetzungen immer dasselbe Resultat zeitigt“ (167f; Kursivierungen FS). Noch Fragen? Ach eins: diese drei Bedingungen sind in der Praxis nur erfüllbar, wenn die Handlungsanweisung in der voll formalisierten Sprache der Mathematik ausgedrückt und in einen Computer implementiert ist.

Leibniz, erster Erfinder einer solchen Maschine, wird in Erinnerung gerufen – aber v.a. deswegen, weil die von ihm projizierte Unterscheidung „zwischen höheren kognitiv-interpretativen Tätigkeiten“ und „niederen, rein ausführenden, deshalb mechanisierbaren“ (169) infolge der seit 1965 exponentiellen Steigerung der Rechenleistung von „Chips“ gegenwärtig längst hinfällig geworden sei (die zahlreichen Beispiele können unerwähnt bleiben).

Charakteristisch für diese Steigerung ist der – leider von Stalder nicht datierte – Übergang zum Einsatz „selbstlernender“ (177) Algorithmen, dank Programmen, die Algorithmen andere Algorithmen schreiben lassen; die Generierung von deren ‚Ergebnissen‘ habe sich aus Komplexitätsgründen nicht mehr logisch, sondern nur noch „experimentell“ überprüfen lassen [eine nur sehr vorläufig triftige Unterscheidung, die in dem Maße gegenstandslos wird, wie die „Welt“ in die Erreichbarkeit von Informationen ‚über‘ sie eingeschmolzen wird; FS]. Hierfür bietet Stalder ein spezifisches Narrativ, so gut wie exklusiv am Roten Faden der von Google eingeführten internet-„Suchmaschine“ „PageRank“ (182ff), das je länger je stärker die materiale (auch ökonomisch-materielle!) Interessenprägung des nur vermeintlichen mathematischen Formalismus ins Bewusstsein hebt [vgl. unten 193ff!]:

Dieser komplexe Algorithmus mit der sprechenden Bezeichnung dient dazu, menschlichen Nutzern auf Anfrage eine Ordnung der „Welt“ bildschirmlesbar zugänglich zu machen, anhand einer Priorisierung der Aufmerksamkeitsrelevanz von „Welt“ repräsentierenden ‚websites‘, den informationellen locations der „Welt“. Die Logik ist (genauer: war in den späten 1990ern) schlicht: der Algorithmus habe „erstens auf die Zahl der Links [zu achten], die auf ein bestimmtes Dokument verwiesen, und zweitens die ‚Relevanz‘ der Seite [zu bewerten], von der aus ein Link zum fraglichen Dokument führte. Die Relevanz einer Seite wurde wiederum durch die Anzahl der Links bestimmt, die auf diese Seite führten“ (183; Kursivierungen FS]. Diese Logik ver‚schlicht’et die Komplexität des Terminus „Relevanz“ zur Häufigkeit der Verlinkung, algorithmisch nachzählbar halt.

Schon in dieser, oberflächlich nur technischen, Verschiebung der Aufmerksamkeit von „Daten“ zu „Metadaten“ steckt ein Paradigmenwechsel: „Informationen werden nicht länger als Repräsentationen einer externen Realität verstanden[…], die Informationssphäre [wird] als eine selbstreferentielle, geschlossene Welt aufgefasst“ (186). Und es kommt hinzu: Dieses „klassische statische Modell“ von „PageRank“ „funktionierte so lange relativ gut, wie die Informationsmenge eine gewisse Größe nicht überschritt und die Nutzer sowie ihre Anfragen einander einigermaßen ähnlich waren. Beides ist heute [Stalder publiziert 2016; FS] nicht länger der Fall“ (187).

Google überarbeitet (ab den späten 2000er Jahren – Smartphones verbreiten sich endemisch) „PageRank“ gründlich und kontinuierlich. Bezieht Veränderungen im Nutzerverhalten ein (und stimuliert sie dadurch gleichzeitig), personalisiert und kontextualisiert (räumlich und sozial) die Suchanfragen: der Algorithmus wird zu einer „Wolke aus vielen interagierenden Algorithmen“ (188) dynamisiert; statt eine ‚an sich‘ strukturierte „Welt“ zu repräsentieren, generiert er nutzerspezifische ‚Welten‘. „Vom Datenschatten zum synthetischen Profil“ (189) nennt Stalder diese Einbeziehung des Nutzerverhaltens in „PageRank“, wo nun der Sender von Suchanfragen in Daten zur „Wissensperson, physischen Person, sozialen Person“ (189f) elementarisiert wird. Angestrebtes Ziel sei die „Prognosefähigkeit“ (á la „Ihre nächste Handlung ist eine Funktion des Verhaltens von anderen und Ihrer eigenen Vergangenheit“; 191); hierin sei Facebook zZt [2016] noch rigoroser als Google.

Die Logik der Algorithmitizität erzwingt eine restlose Umformung qualitativer Differenzen in quantitative. Das wird durch die kontinuierliche Zufügung von kategorialen „Variablen“ in die Algorithmen-Konstruktion zwar verschleiert, rechtfertigt aber auch für Stalder die schlussendliche Einstimmung in die massive Kritik als „Daten-Behaviorismus“ (Rouvroy, 199ff). Die Erneuerung wissenschaftstheoretischer „Kritik an dieser positivistischen Perspektive“ prallt am betreiberseitigen „Verweis auf die schiere Menge an [sc. verarbeitungstechnisch verfügbaren FS] Daten“ (201) folgenlos ab. Zumal sich in der Praxis der Nutzer*innen ein achselzuckendes Einverständnis mit dem faktischen Angebot einer „Antwort“ durchsetzt, die „nicht die beste [sein kann, aber eine ist], die verfügbar und gut genug“ ist (202). Clarks pragmatisches Prinzip des rough consensus + running code (s.o. 86) ist immer noch wirksam.

 

Bei Stalder folgt noch, buchumfangsmäßig gleichrangig, ein Teil 3 „Richtungen des Politischen in der Digitalität“ (203-281), der hier vergleichsweise summarisch abgehandelt wird.

 

Einerseits deutet Vf. respektables auch politiktheoretisches Bescheidwissen übers Demokratische und, neuerdings diskursiv einschlägig, „Postdemokratische“ an; die Marxsche Unterscheidung von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen steht im Hintergrund, bedürfe aber einer mit der „Kultur der Digitalität“ genauer kompatiblen Umgestaltung. Andererseits positioniert er sich rasch: Vorschlägen von Jacques Ranciére und v.a. Colin Crouch folgend, diagnostiziert er in repräsentativ-demokratisch geordneten Gemeinwesen „eine Verschiebung der Legitimation öffentlichen Handelns“ – von der „Beteiligung der Bürger an den politischen Entscheidungen (Input-Legitimation)“ hin zur Berufung auf „die Qualität der für die Bürger produzierten Leistungen (Output-Legitimation)“ (208). Und bestimmt als „postdemokratisch[…]all jene Entwicklungen – gleich wo sie stattfinden -, die zwar die Beteiligungsmöglichkeiten bewahren oder gar neue schaffen, zugleich aber Entscheidungskapazitäten auf Ebenen stärken, auf denen Mitbestimmung ausgeschlossen ist“ (209). Diese Entwicklungen, im einzelnen harmlos wirkend, in der Summe aber hocheffektiv, schüfen „die kulturellen Voraussetzungen und Erfahrungen, welche die Postdemokratie[…]als normal und akzeptabel erscheinen lassen“ (209). Sie gelte es scharf wahrzunehmen und zu bekämpfen.

„In geradezu idealtypischer Weise kann man sie anhand des Aufstiegs der kommerziellen sozialen Massenmedien nachzeichnen“ (209). Das tut Stalder – hinreichend plausibel – auf den folgenden 35 Seiten.

 

Die systematisch betriebene Abschottung der ‚Hinterzimmer‘ der privatkapitalistisch interessierten kleinen Entscheidungs-Eliten von den milliardenfachen Nutzer-Massen sorge für Austrocknung und Lähmung des Interesses von Nutzern an Beteiligung – eben der „Brot und Spiele“-Modus der Output-Legitimation. Dieser partizipationsfeindliche Trend widerspreche allem Inklusions- und Diversifikations-Versprechen der „Kultur der Digitalität“, siehe oben: Teil 1. Ihm beizukommen eigne sich – mit einer zusammen mit den verfügbaren Datenmengen steigenden Chance! – die Veröffentlichung von Details über die herrschenden „Produktionsverhältnisse“: die Taktik von Whistleblowern und des Leakens. Und – das inszeniert Stalder als seine Option – die Strategie der „Entwicklung einer neuartigen Produktionsweise“, der „Commons“ (von der er einräumt, sie sei „aktuell schwächer ausgebildet“) (245).

 

„Commons“ –eine nicht nur Produktions-, sondern auch Lebensform, die die Unterscheidung von „Produzenten und Konsumenten“ (247), ja von Produktionsweise und Produktionsverhältnissen hinter sich zu lassen verspreche: gemeinschaftlicher Nießbrauch von dinglichen und informationellen Gütern (common pool resources), bewirtschaftet durch (freiwillige!) Mitglieder von Gemeinschaften (commoners), im Rahmen von selbst entwickelten Praktiken, Normen, Institutionen (246). Eine kulturelle Formation, für die Stalder an späterer Stelle auch einmal, nach der Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom, die Formel „jenseits von Staat und Markt“ (249 Anm 69) verwendet: Die „Wechselwirkung zwischen der singulären Aneignung und der gemeinschaftlichen Bereitstellung (sc. von Gütern)“ nennt er eine „zentrale Dynamik“; zahlenmäßige Beschränkung der Mitgliederzahl könne dazu gehören, eine meritokratische Binnenorganisation, jedenfalls ein hoher Rang von Konsensorientierung. Eingebettet in „größere soziale Systeme“, seien Commons angewiesen auf deren „Anerkennung [ihres] Rechts auf Selbstorganisation“ (251).

Was für entsprechende Gemeinschaften überhaupt gelte, entfaltet Stalder im Folgenden mit mittlerer Detailfreude an der Entwicklung von „Freier Software“ (252) seit Mitte der 1980er Jahre – anhand des sog „Debian-Projekts“ (252ff) , des „Onlinenachschlagewerks Wikipedia“ (262ff), des „Projekts OpenStreetMap“ (266ff) -, um schließlich auch „Bürgernetze“ zur „(Re-)Kommunalisierung der Grundversorgung mit Wasser und Energie“ (274ff) einzubeziehen. V.a. im Bereich des ungehinderten Austauschs öffentlicher Daten haben sich die Erarbeitung geeigneter „Lizenzierungen“ und schließlich die nationalen Varianten des globalen Urheberrechts als Schauplatz verbissener Kämpfe für die Commons herausgestellt; hinzu gekommen seien neuerliche Versuche parasitärer „Aushöhlung der Commons“ wie durch „Cloud Software und Sharing Economy“ (277ff).

 

Freilich beweise pures Da-sein und Operationsfähigkeit von Commons unter Bedingungen der „Kultur der Digitalität“, dass es anders gehe als der Mainstream des Postdemokratischen und dessen ‚technokratischer‘ Vision von der „Alternativlosigkeit“ einer Stillstellung des Politischen glauben machen wolle…

 

Kein Ende der Historie der „Kultur der Digitalität“, wohl aber der Lektüre von Stalders Buch. Die Sympathie des Vf. ist offenkundig; sie gilt dem Mainstream, wie er etwa mit der Kampagne „Offen für Vielfalt“ popularisiert wird. Charakteristisch etwa die Formulierung: „An die Stelle eines für alle verbindlichen, nicht verhandelbaren Referenzrahmens, der die einzelnen Positionen hierarchisiert und an dem die Einheit des Ganzen abzulesen ist, soll eine Ordnung treten, die ohne einen solchen Rahmen auskommen kann“ (55f); die Grundsätzlichkeit dieser Soll-Aussage unterstreicht Stalder selbst, indem er im unmittelbaren Zusammenhang Mbembes Forderung nach einer „alternativen Lesart der Moderne“ (56) anführt.

(Insofern muten vorzubringende Einwände gegen Stalder, im wissenschaftsgeschichtlichen Vergleich, leicht an wie eine Neuauflage des Destruktionsversuchs von H.P.Duerrs „Der Mythos vom Zivilisationsprozess“ an Norbert Elias‘ paradigmatischem Theorie-Entwurf.)

Als partikulare politische Programmatik sichtlich für viele zustimmungsfähig, wird sie freilich problematisch durch ihre Rahmung in einer fortschritts-philosophischen Annahme: „Entstehung und Ausbreitung der Kultur der Digitalität ist die Folge eines weitreichenden, unumkehrbaren gesellschaftlichen Wandels“ (10f; Kursivierung FS) – der leichtfertige Einsatz des Allquantors „unumkehrbar“ in diese Aussage erscheint kein bloß sprachlicher Lapsus.

 

Auf Stalders argumentativer Haben-Seite zweifelsfrei zu verzeichnen ist sein Rekurs auf die Sequenz der evolutionären Stufen menschlicher Kommunikation: (distinkte) Laut-Sprache, Symbol-Schrift, (Buch-)Druck (mit beweglichen Lettern), Daten-Digitalisierung.

Als jedenfalls umstritten, wenn auch in unterschiedlicher Weise, anzusehen indes sind ‚Fäden‘ des Narrativs von Teil 1. So soll dies das ‚historische‘ Verschwinden von „Heteronormativität“ plausibilisieren – indes: verträgt eigentlich die eingenommene dekonstruktivistische Perspektive etwas wie ‚Definitivität‘? Die Kategorie des ‚Postkolonialen‘, moralistisch kritik-immunisiert wie sie ist, wird zur Rekonstruktion von Veränderungen in der Wahrnehmung von ‚Wirklichkeit‘ eingesetzt; impliziert als normatives Modell ist „Pluralismus“ (incl. die damit gegebenen Chancen zur Generierung von „Hybriden“) – indes: wie universalisierungsfähig eigentlich ist „Pluralismus“ als Weltanschauung im Sinne „reiner“ wie „praktischer Vernunft“ (um beiläufig Kant zu reklamieren J)? Wenn doch auch sog. neu-rechte Programme wie „Ethnopluralismus“, terminologisch leichtgängig genug, daran Anschluss finden…

„Hybridizität“ zählt zu Stalders analytischen Lieblingsfiguren. Als Lehrbeispiel dafür mag gelten die These von der Vermischung ideologisch schwer kompatibler Strömungen der 1960er und 1970er Jahre wie der sog, Neuen Sozialen Bewegungen („Kritik am Wertesystem der bürokratisch-bürgerlichen Gesellschaft“) einerseits, des Erstarkens neoliberaler Impulse („Kritik am Wohlfahrtsstaat“) andererseits (32f).

 

Selbst wenn man Stalder kleinere argumentative Webfehler durchgehen lassen mag wie die Behauptung, die Gutenbergsche Lösung des Buchdruckens habe „die Schrift in diesem pragmatischen Sinne digital“ (101) werden lassen; erbringt doch die handwerkliche ‚Elementarisierung‘ eines Alphabets von 26 plus X Zeichen (je nach Sprache) keineswegs die im Prinzip erst durch Leibniz erreichte binäre Eineindeutigkeit, wie digitale Algorithmitizität sie verlangt:

Es bleiben Fragen, darüber hinaus.

  • In Teil 3 plädiert Stalder (im Sinne seiner Rezeption von Crouch) konsequent für die Re-Orientierung politischen Handelns in Gemeinwesen an „Input-Legitimation“ (s.o. 208). Beobachtungen an der Bewältigung der Pandemie 2020/21 geben zu denken (wenn es nicht schon Stalders eigene Bemerkungen zum selbstdestruktiven Zeitbedarf der Konsensfindung auch in „Commons“ täten [251]): je mehr Rücksicht auf Input-Legitimation, desto weniger der, krisenbedingt faktisch eingeforderten, Output-Legitimation. Die von „Leistungen“ (208) Mandatierter in der ‚Kohlenstoffwelt‘ zehrt, „Corona“-Intensivstationen und so. Wieviel Beachtung zollt Stalders „Kultur der Digitalität“ den Bedingungen physisch endlichen Daseins zu ‚Beteiligender‘?
  • 216 versteckt Stalder eine Schlüsselformel: Take it or leave it. Im unmittelbaren Kontext ist sie kritisch gegenüber dem Machtgefälle zwischen Administratoren und Nutzern „kommerzieller sozialer Netzwerke“ gemeint. Aber so sehr Stalder Wert legt auf auch die Diskontinuität der „Kultur der Digitalität“ (samt deren „Kritik am Wertesystem der bürokratisch-bürgerlichen Gesellschaft“; 32), so sehr stimmt jene Formel überein mit der Normativität digitaler „Gemeinschaften“ (bis hin zu den „Commons“) – ebenso wie mit Luhmanns schon 1964 aus der Untersuchung „formaler Organisationen“ destilliertem Begriff der „Mitgliedschaftsrolle“.
  • 123 gibt Stalder zu lesen: „In einer Kultur, die sich zu einem nicht unbeachtlichen Teil in mediatisierter Kommunikation manifestiert, muss sich jeder durch solche Akte selbst konstituieren, und sei es nur durch ein ‚Selfie‘. Dies nicht zu tun würde zu Unsichtbarkeit und Vergessen-Werden führen.“ – Klingt exklusionsbedrohlich formuliert. Noch nicht ganz in dieser Schärfe ausgedrückt („negativ auff[allend]“) benennt Stalder denselben Sachverhalt schon (39), freilich mit einer „viel seltener[en]“ Folge: dass eine/r „gerade durch diese Absenz [sc. in den „Suchmaschinenanfrage[n] nach seinem Namen“; FS] an Status gewinnt“!! Was nur ist dessen Anerkennungs-Ressource?

 

03.01.2022