Dass es bald - was genau "bald" heißen würde, wuste seinerzeit niemand - nicht mehr genügend grundständig Theologie Studierende 'geben' werde, um den (statistisch absehbar) 2018ff eintretenden Pfarrpersonal-Nachwuchsbedarf zu befriedigen, lag für die administrativ Verantwortlichen bereits um die Jahrhundertwende in der Luft.
Im Frühjahr 2003 ergriff die EKKW die Initiative. Die zur Lösung des Problems eingesetzte Arbeitsgruppe kam 'über'n kurzen Weg' zu dem Schluss, nicht die über 20 Jahre zuvor eingestellte Ausbildung von sog. Pfarrverwaltern zu reaktivieren, sondern eine innovative "Akademisierung" anzustreben. Eine curriculare 'Blaupause' wurde skizziert, die - zweckentsprechender konnte's kaum ausgehen - den Fachbereich teologie der Universität Marburg dazu animierte, ab 2007 einen berufsbegleitenden Master-Studiengang anzubieten (https://www.uni-marburg.de/de/fb05/studium/studiengaenge/master_of_theology/der-marburger-master-aus-gutem-grund; Abruf 16.11.2024)). Der - soviel lässt sich 2024 feststellen - stark 'nachgefragt' ist, über alles usprüngliche Erwarten hinaus.
Näheres zur Vorgeschichte dieses neuartigen Weges zur Pfarrpersonal-Nachwuchs-Gewinnung im Folgenden - Auszug aus dem turnusmäßigen "Bericht des Landeskichenamts" vor der Landessynode:
Die kirchengesetzlich geregelte Ausbildung von Pfarrverwaltern (Pfarrer im Hilfsdienst) durch das Predigerseminar Hofgeismar wurde in unserer Landeskirche 1980 eingestellt, um der absehbar stark ansteigenden Zahl von grundständig Theologie Studierenden weitere kirchliche Ausbildung und Berufstätigkeit zu ermöglichen. Erinnerungen an die Bereicherung des pfarramtlichen Dienstes durch theologisch nachqualifizierte Menschen mit außerdem andersartigen beruflichen Vorerfahrungen blieben – nicht zuletzt durch den Dienst der ca. 80 Pfarrverwalterinnen und Pfarrverwalter in den Kirchenkreisen unserer Landeskirche – lebendig. Der in den letzten ca. 10 Jahren spürbare deutliche Rückgang der Zahl grundständig Theologie Studierender ließ es ab 2002 wieder möglich erscheinen, die Pfarrverwalter-Ausbildung neu aufzulegen, ohne dadurch die berufliche Entwicklung der regulär Theologie Studierenden zu beeinträchtigen. Eine dementsprechende Absichtserklärung wurde im Personalbericht vor der Frühjahrssynode 2003 vorgetragen.
Seit Sommer 2003 stellte eine vom Landeskirchenamt eingesetzte Arbeitsgruppe Vorüberlegungen an, traf Grundsatzentscheidungen (die im Januar 2004 vom Landeskirchenamt bestätigt wurden) und entwickelte das ‚Pilotmodell’ eines entsprechenden Ausbildungsganges. Danach sollte die Pfarrverwalterausbildung künftig nicht mehr von einer kirchlichen Ausbildungsstätte (Predigerseminar), sondern von der Universität übernommen werden; dementsprechend würde der Ausbildungsgang – ‚eingebaut’ in das Bologna-System – die Gestalt eines weiterbildenden nicht-konsekutiven Master-Studiengangs haben müssen, der berufsbegleitend zu absolvieren ist – die Absolventen des Studiengangs sollten anschließend ein reguläres Vikariat absolvieren und ‚ausnahmsweise’ zum Pfarramt ordiniert werden können (statt in den Dienst als Pfarrverwalter).
Im Mai 2004 hat der Bischof den Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg [im Folgenden kurz: Fachbereich] gebeten, sich die Absicht auf die Entwicklung und Durchführung eines solchen Studiengangs zu eigen zu machen; der Bitte wurde entsprochen. Eine Projektgruppe des Fachbereichs entwickelte das Modell eines Studiengangs, das im Januar 2005 grundsätzliche Zustimmung des Landeskirchenamts fand; dabei wurde im Blick auf die (hessisch-)staatkirchenvertraglichen Regelungen zu „Vorbildung der Geistlichen“ das Paradigma ‚Regel/Ausnahme’ für das evtl. künftige Nebeneinander von klassisch grundständigem Vollzeitstudium Theologie und dem berufsbegleitenden Master-Studiengang formuliert und eine Präferenz für Bezeichnung des Abschlussgrades als „M.Th.“ ( = Master of Theology) ausgesprochen.
Im ersten Halbjahr 2005 machen sich Widerstände gegen diese Planungen bemerkbar. Sie werden zunächst in der „Marburger Konferenz“ (regelhaftes Kirchenleitungstreffen zwischen EKKW und EKHN), im März 2005 auch in der EKD-Kirchenkonferenz geltend gemacht; sie machen sich fest an der Absicht der EKKW, die Absolventen des Master-Studiengangs trotz beschränkterer Ausbildung in den Alten Sprachen als „Pfarrer“ einzustellen und an der Sorge um Beschädigung der gesamtkirchlichen Position in den Verhandlungen mit den zuständigen Länderministerien bzw. der Kultusministerkonferenz um die Sicherung des Anforderungsprofils des klassisch grundständigen Vollzeitstudiums Theologie in der Auseinandersetzung um die Einführung des „Bologna“-Modells gestufter Studiengänge auch für die Pfarramtsausbildung an den Universitäten. In der Folgezeit kam es zu Präsentationen der Pläne des Fachbereichs Marburg und der EKKW vor der ARK I, der FK I, Erörterung im Kontaktausschuss (zwischen Rat der EKD und Ev.Theol. Fakultätentag) – in der ARK I bildet sich die Überzeugung heraus, die Abschlussbezeichnung „M.Th.“ solle ‚reserviert’ werden für den evtl. künftig eintretenden Fall einer Umstellung des grundständigen Vollzeit-Studiums zu einem gestuften Studiengang – trotz wachsender Anerkennung des hohen fachlichen Standards [‚die beste Pfarrverwalter-Ausbildung, die es z.Zt. gibt’] der Planungen des Fachbereichs bleiben schwerer wiegende Bedenken gegen die Übernahme der Absolventen als „Pfarrer“.
Im Juli 2005 wird Einvernehmen mit der EKHN über die Pläne hergestellt nach Erklärung von Bischof Dr. Hein in der Marburger Konferenz, im Interesse gesamtkirchlicher Abstimmung die Absolventen des geplanten Studiengangs zunächst als „Pfarrverwalter“ zu übernehmen (spätere Überführung in den Pfarrer-Status, nach landeskirchlichem Recht, vorbehalten).
Der Fachbereich schließt im Herbst 2005 seine Planungen für den berufsbegleitenden nicht-konsekutiven Weiterbildungs-Studiengang mit dem Abschluss-Grad „Master of Arts (in Evangelischer Theologie)“ ab – gegen den die Landeskirche auf der Linie der ARK I keine Einwände erhebt – ab und findet im Laufe des WS 2005/06 dafür Zustimmung in den zuständigen Universitätsgremien. Das Landeskirchenamt (EKKW) gibt im Januar 2005 eine Äußerung zur berufsbefähigenden Qualität des Studienganges ab. Das Akkreditierungsverfahren wird eingeleitet.
Derweil wird auf EKD-Ebene – Kontaktausschuss und FK I – intensiv die ‚Titel-Frage’ erörtert. Es geht dabei um die Frage, ob ‚wo Theologie drin ist, auch Theologie draufstehen muss’, sprich: darum, ob Abschlüsse an Theologischen Fachbereichen und Fakultäten überhaupt je „… of Arts“ heißen, d.h. die Bezeichnung „M.A.“ tragen dürfen. Die neueren Überlegungen tendieren dahin, für Abschlüsse von Studiengängen an Theologischen Fachbereichen und Fakultäten (die nicht der des grundständigen, zur weiteren kirchlichen Ausbildung zum Pfarramt befähigenden, Vollzeitstudiums sind) grundsätzlich auf der Bezeichnung „… of Theology“ zu bestehen. Hier wird noch eine abschließende gliedkirchliche Abstimmung zu treffen sein.
Im Folgenden werden wesentliche Merkmale des Studiengangs und der Pfarrverwalter-Ausbildung skizziert. Dabei ist wichtig, zu unterscheiden zwischen dem Studiengangsangebot des Fachbereichs und der Pfarrverwalterausbildung im engeren Sinne.
Der Studiengang richtet sich an Studierende,
· die eine wissenschaftlich-theologische Weiterqualifizierung für Berufe in Kirche, Diakonie, Publizistik, Sozialwesen oder Bildungsarbeit anstreben,
· die sich auf der Basis einer bisherigen, akademisch qualifizierten Berufstätigkeit für einen pfarramtlichen Dienst umorientieren möchten,
· die aufgrund eines persönlichen Interesses eine verdichtete wissenschaftlich-theologische Qualifikation anstreben.
Damit ist deutlich, dass der akademische Beitrag zur Pfarrverwalterausbildung nur einen Aspekt des Studiengangs darstellt und auch andere (berufliche) Weiterentwicklungen der möglichen Studierenden gefördert werden sollen.
Voraussetzungen für die Bewerbung sind:
· Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule mit Bachelorgrad (in der Regel B.A.)
· oder ein gleichwertiges Hoch- oder Fachhochschulstudium,
· sowie fünfjährige Berufserfahrung (ehrenamtliche Tätigkeit oder Familienarbeit können als äquivalent anerkannt werden),
· Zugehörigkeit zu einer evangelischen oder dem Ökumenischen Rat angehörigen Kirche.
Der Studiengang ist berufsbegleitend angelegt und dauert 34 Monate. Er vollzieht sich in großen Teilen als Fernstudium (über Studienbriefe, Aneignung wissenschaftlicher Literatur, e-learning) und umfasst darüber hinaus Zeiten von Präsenzstudium (Wochenenden und Studienwochen, die im Predigerseminar Hofgeismar stattfinden) im Umfang von 110 Tagen. Er umfasst 5 sehr unterschiedlich umfangreiche „Module“ (Theologie als praxisorientierende Reflexionspraxis / Reden von Gott in Geschichte und Gegenwart / Religion als Beruf in gesellschaftlichen Kontexten der Gegenwart / Leben aus Freiheit in Verantwortung / Masterarbeit) und wird von Lehrenden des Fachbereichs, während der Präsenzzeiten in Verbindung mit einem von der EKKW gestellten Studienleiter) gestaltet. Der Studiengang ist kostenpflichtig: von den Studierenden wird ein Kostenbeitrag von insgesamt 9.500 Euro erhoben (für Studiengebühren, Einschreibegebühren, Unterbringung und Verpflegung während der Präsenzzeiten), der in Halbjahresraten zahlbar ist.
Für eventuelle Studierende, die den Studiengang aufnehmen, um auf diesem Weg in den pfarramtlichen Dienst (als Pfarrverwalter) zu gelangen, soll darüber hinaus gelten:
Interessenten können – in der Regel: während des ersten Studienhalbjahres – die Aufnahme in eine Studierendenliste der Landeskirche beantragen. Mit dem Antrag sind folgende Voraussetzungen als gegeben nachzuweisen:
Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche
langjährige Bindung an die EKKW
Lebensalter 32-45 (bei Beginn des Studiengangs)
5-jährige Berufstätigkeit (über Anrechenbarkeit von Erziehungszeiten wird im Einzelfall entschieden)
kirchliches Engagement (pfarramtliches Zeugnis)
Votum des zuständigen Propstamtes
Der Bischof kann Ausnahmen zulassen.
Die Aufnahme auf die Liste erfolgt nach einem Gespräch, das Ausbildungsdezernent und Studienleiter (s.o.) führen.
Im Sinne einer studienbegleitenden Eignungsabklärung sind für die Studierenden der Liste obligatorische Beratungsgespräche vorgesehen, die ebenfalls Ausbildungsdezernent und Studienleiter führen und Empfehlungen aussprechen.
In die Liste eingetragene Master-Absolventen können sich um die Übernahme in den Ausbildungsdienst (Vikariat) bewerben. Sie haben sich einem sog. Tentamen zu unterziehen, das fachliche und personale Kompetenz in Blick nimmt und das von einem Gremium abgenommen wird, das unter Vorsitz der Prälatin Mitglieder des Landeskirchenamts, der Landessynode, und Vertreter des Predigerseminars umfasst.
Nach Übernahme in den Ausbildungsdienst werden die Betreffenden in die bestehende Ausbildungsstruktur (26 Monate Vikariat) eingeordnet, wobei im Einzelfall individuelle Anpassung der Anforderungen möglich sein soll. Der Ausbildungsabschluss erfolgt durch eine eigenständige Pfarrverwalterprüfung in enger Anlehnung an die Prüfungsordnung der Zweiten Theologischen Prüfung; eine entsprechende Prüfungsordnung wird noch erlassen.
Nach erfolgreicher Abschlussprüfung können Absolventen die Ordination zum „Pfarrverwalter“ beantragen. Das Übernahmeverfahren (Beratungsausschuss) und die anschließende FEA-Verpflichtung entsprechen dem, was für die angehenden Pfarrer und nachmaligen Hilfspfarrer gilt.
© Frithard Scholz
(April 2006)