Stilfragen

 

Julia…“ –

das kommt lockerer rüber auf dem „tagesthemen“-Bildschirm von der video-mäßig zugeschalteten ‚Londoner Korrespondentin‘ als „Niharika-Sen“ (Tagesschau-Sprecherin der ARD seit gefühlt 2023), wie’s zu lange verflossenen Zeiten des ‚Siezens‘ im Fernsehen hätte heißen müssen. Den „Nachrichten“ zumal.

Ich erinnere mich noch gut an noch länger verflossene Zeiten, da’s ungebräuchlich – um nicht gleich „ungehörig“ zu sagen – war, wer da spricht: „Nachrichten“ im FERNSEHN waren mal was „Offizielles“, und drum egal, welches, für sich genommen belanglose, personale Individuum sie mitteilt.

Gilt auch fürs „Radio“, wo’s seit langem üblich ist, dass sich Sprecher*innen (sog. Moderator*innen) einer X-beliebigen Musik-Sendung namentlich vorstellen und/oder verabschieden.

Das stelle man sich nur mal vor vom legendären Karlheinz Köpcke, der für undenkliche Zeiten die „Tagesschau“ in bundesdeutsche Wohnzimmer verlas: dunkler Anzug, dezenter Schlips, hinterm regierungssprecher-kompatiblen Schreibtisch. Zu Zeiten, als vom – qua „Basta!“ karikierten – Bundeskanzler Schröder noch keiner sprechen konnte. Aber so war’s doch.

Da sind sublime Veränderungen im Gange in den Standards der öffentlichen Kommunikation, wie sie „DAS Fernsehn“ mit seinen sog. „Nachrichten“-Sendungen tagtäglich einschleift.

Übrigens: „DAS Fernsehn“. Im Singular gibt’s das ja eh nicht mehr, seit Jahrzehnten. Auch „öffentlich-rechtlich“ nicht (obwohl’s ‚gefühlt‘ weithin noch so funktioniert).

Man/frau könnte sich erinnern: Dem Konrad Adenauer (Bundeskanzler 1949-1963) passte ab Mitte der 1950er Jahre die „Linie“ des – seinerzeit eben singularen – Deutschen Fernsehens nicht. Er wollte gerne eine stärker ‚staatstragende‘ „Berichterstattung“. Warum nicht ein „Zweites Deutsches Fernsehen“ erfinden?? Verfahren in „Karlsruhe“, mit Ausgang so-und-so. Unterm Strich herausgekommen ist das „ZDF“, dem eine Anmutung des „Staatstragenden“ bis heute anhängt.

Wobei Letzteres zu pflegen unfair wäre. Das ZDF ist seiner öffentlich-rechtlichen Konkurrenz (die inzwischen längst „ARD“ heißt) um etliche Längen voraus. Jedenfalls was das Merkmal „locker“ angeht.

  • Es fängt ja an mit dem setting des ‚Bildschirm-equipments“. Erst vor ein paar Jahren erfunden, hat das ZDF seine monumentale ‚Sprecher*innen-Theke‘ inzwischen drastisch verkleinert. Und: niemals sitzt eine*r ‚prä-sidial‘ – Hauptsache ‚Theke‘: gerade mal, dass die ZDF-„heutejournal“-Ikone Marietta Slomka Platz für ihre unvermeidlichen Nachrichtenredaktions-Papiere hat.

Die ARD macht’s nach. Neuerdings werden die ‚Sprecher*innen‘ bei der Start-Einstellung lieber seitlich abgefilmt. Stehend (á la ‚was ich Ihnen gerade noch sagen wollte…‘).

  • Und dann das Outfit der ‚ChefSprecher‘. Nachfolger von Claus Kleber, Christian Sievers – und der nicht alszus im look von Karlheinz Köpcke: anzug-„korrekt“ gerne (freilich lieber hell-gemustert), beschlipst auch, aber immer öfter auch mit leger offenem Hemdkragen [naja, wo’s sogar „monsieur Le Président E.M.“ so hantiert, geht auch das J].
  • Schließich die Zuschauer-Begrüßungs- und -abschieds-Formeln. Mal so, mal so. Fehlt fast nur noch, dass der der ‚Nebenbei-Steherin‘ („und nun zu den Nachrichten“) Gundula Gause oder Hanna Zimmermann, sende-stress-entlastet, musterhaft um den Hals fällt…

„Lockerer!“ scheint die Marschrichtung, in deren Verfolg die Aura der „Volksempfänger“-Zeiten vergessen gemacht werden soll.

 

© Frithard Scholz

28.09.2025

 

 

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