Es mag allzuvielen Leser*innen hinnehmbar scheinen, wenn einer seine Schreibe – statt von Goethe, Musil oder meinetwegen Juli Zeh – stilistisch von der Tageszeitungslektüre infiltrieren lässt.
Aber auch ein – wie heißt das heute? - „Qualitätsmedium“ wie die „Süddeutsche Zeitung“ kann einen in die Irre führen. Seit undenklichen Zeiten vergisst die dortige SchlussRedaktion, ihren Artikelschreiber*innen die präzise Unterscheidung zwischen „vermeintlich“ und „angeblich“ abzuverlangen.
Geht aber gar nicht. Oder sollte es eigentlich.
„vermeintlich“ drückt eine Selbstbeschreibung aus, „angeblich“ eine Fremdzuschreibung.
Jüngstes Beispiel: Das neuste „süddeutsche zeitung magazin“ (21.03.2025) schreibt über ein Exempel seltener Willkommenskultur mit Migrant*innen. Der Text zu einem der eingestreuten Fotos lautet „Maysoon Majidi wurde als Kurdin in Iran mit dem Tod bedroht, landete nach einer Flucht über das Mittelmeer in Kalabrien – und dann als vermeintliche Schlepperin im Gefängnis“.
Herrgott – die junge Theatermacherin wird schon wissen, was sie ist. Aber die sie ins Gefängnis brachten, glaubten eher den „angeblich“-Aussagen „vermeintlicher“ ‚Zeugen‘. (wie zu lesen, für 302 Tage – das „szmagazin“ reportiert auch, das Fehlurteil sei inzwischen juristisch repariert)
Wir lernen: die präzise Unterscheidung zwischen „vermeintlich“ und „angeblich“ ist nicht bloß eine MöchtegernLiteraten-Finesse. Es kann schon mal um „echtes Leben“ gehen.