Das Werden der GEKE: ein Langzeitprozess. Weitere Versuche, das spezifisch Evangelische gemeinsam auszudrücken, diesseits eingelebter Gewohnheiten des Nicht-katholisch-seins. In den 2000er Jahren drängte sich die Frage auf, wie im Zuge des auch politischen Zusammenwachsens zu Einem Europa Pfarrer einer GEKE-Kirche auch in einer anderen GEKE-Kirche würden beschäftigt werden können. Aber wer heißt eigentlch in den diversen GEKE-Kirchen "Pfarrer"? Zur Beantwortung dieser Frage wurde die Inszenierung einer mehrjähigen "Konsultation" verfügt, an der der Bücherhamster anfangs beteiligt war, mit einem Mosaiksteinchen.
Konsultation der GEKE in Kooperation mit der EKD
Theologische Ausbildung für das ordinationsgebundene Amt
in der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa
vom 20. bis 23. November 2008 in Berlin
Workshops: Gemeinsame Konzeptionen und Konzepte für die Gestaltung theologischer Ausbildung in der GEKE
Samstag, 22. November 2008, 11.00 bis 12.30 Uhr
Workshop „Spiritualität“ (Leitung: OLKR Dr. Frithard Scholz)
Impuls zur Einführung:
Pate gestanden hat dabei offensichtlich eine Schlüsselthese des seinerzeitigen Co-Vorsitzenden der Gemischten Kommission, Eilert Herms: „Die entfaltete, theoretisch ausgearbeitete persönliche Identität des Theologen ist das einzige Steuerinstrument seiner kompetenten beruflichen Praxis.“ Sie verbindet in überzeugender Weise die Vorstellung professioneller, auf den Erwerb habitualisierter Fertigkeiten ausgehender Ausbildungsprozesse mit dem klassisch anmutenden, nur personal artikulierbaren Ideal der „Bildung“ – in diesem präzisen Sinne ist von gebildeter Identität zu sprechen.
Daran zu erinnern mag nicht unangebracht sein in einer Phase, da in Deutschland eine grundstürzende Reform des Theologiestudiums ‚in Arbeit’ ist – ganz im Banne des Bologna-Prozesses mit dessen klarer Option für die berufs-ausbildende Funktion des Hochschulstudiums überhaupt und gegen das Humboldtsche Modell der Universität als eines Orts und Rahmens für Bildungsprozesse.
Verstanden sei darunter die Übung und Einübung in Formen individuell religiöser Praxis, die in, mit und unter der Erfahrung der Bildung durch (theologische) Wissenschaft die Integration persönlicher Motive zum Studium und späteren Beruf fördern.
In Deutschland hat die Ausbildung junger Leute fürs ordinierte Amt zwei Phasen: das wissenschaftliche Studium der Theologie, das regelhaft an Theologischen Fakultäten staatlicher Universitäten stattfindet, und die von den Kirchen verantwortete praktische Ausbildung fürs Pfarramt in Predigerseminaren bzw. Kirchengemeinden (durch sog. Mentoren). Davon war gestern schon die Rede. Dieses System bringt mit sich:
Der Eintritt ins Theologiestudium ist ausschließlich an die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung gebunden – das Abitur (Abschlusszeugnis des Gymnasiums nach 13 Jahren Schule). Eine Auswahl der Theologiestudierenden durch die Kirchen findet aus strukturellen Gründen nicht statt. Weder Eigenart noch Intensität der persönlichen „Frömmigkeit“ des einzelnen spielt eine Rolle für die Zulassung zu einem Bildungsweg, der auf Befähigung und Bereitschaft zur Übernahme eines Pfarramts führen soll.
Die Kirchen organisieren „Listen“ der Theologiestudierenden aus ihrem Einzugsbereich; sie dienen aber lediglich als Grundlage zur Kontaktpflege: Angebote der Studienberatung, Einladung zu Tagungen, Vermittlung von Praktika (dass ein sog. Gemeindepraktikum obligatorische Voraussetzung für die Zulassung zur Ersten Theologischen Prüfung ist, ist noch die intensivste Form der Verknüpfung von kirchlichem Leben und Hochschulstudium). Der Abschluss des Hochschulstudiums durch die Erste Theologische Prüfung vor einem Kirchlichen Prüfungsamt – Vorsitz durch den Bischof oder einen Beauftragten, Prüfungsvollzug durch dazu kirchlich berufene Hochschullehrer – ist in der Regel hinreichende Voraussetzung für die Zulassung zur Zweiten – kirchlichen – Ausbildungsphase (Vikariat).
Eine Auswahl von Pfarramtskandidaten durch die Kirche nach personenbezogener Eignungsbeurteilung erfolgt allenfalls an dieser Zulassungsschwelle. Dies erfolgt indes mit großer Zurückhaltung – in Respekt vor dem Werk der Hochschullehrer, deren staatlicher Berufung ins Lehramt regelhaft eine kirchliche Zustimmung vorausgegangen ist. Erst die Aufnahme ins Vikariat ermöglicht den Kirchen einen stärkeren Einfluss auf die auch persönliche Prägung der angehenden Pfarrer/innen – vor allem durch die Institution des Predigerseminars.
Dieser Zusammenhang und diese Differenz zweier Ausbildungsphasen hat spürbare Konsequenzen für unser Thema.
So verschieden die Motive zum Theologiestudium, so verschieden auch der Formen der Pflege von Spiritualität (im Sinne von These 3)! Das legt die Maxime nahe: Eines schickt sich nicht für alle (alte deutsche Redensart).
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit lassen sich typische Studienmotive benennen:
…und weiter: Formen der Pflege von Spiritualität:
Diese Formen individueller religiöser Praxis sind (in unterschiedlichem Ausmaß) gekennzeichnet durch ausgeprägte Körperlichkeit, unmittelbares Erleben, Beharrlichkeit des „Übens“ – und darin durch Einklammerung wissenschaftlicher Reflexion.
Die in Deutschland wirksame Struktur, das Theologiestudium an staatliche Universitäten zu binden, hat seine Ursprünge im sogenannten „Kulturkampf“ des 19. Jahrhunderts, in dem es dem Staat politisch gelang, Tendenzen der römisch-katholischen Kirche zur Abschottung der Priesterausbildung gegen Irritationen durch gesellschaftliche Modernisierungsprozesse zu brechen. Die evangelischen Kirchen haben es als förderliche Herausforderung angenommen, dass die Ausbildung ihrer Pfarrer in den Diskurs verschiedener Fakultäten über Fragen der Welt-Interpretation eingebettet ist – inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Den Studierenden wird auf diese Weise zugemutet zu lernen, wie das geht: „allezeit bereit [sein] zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist“ (1. Petrus 3, 15) – also gerade auch vor denen, die der Wahrnehmung des Lebens und der Welt im Licht des Evangeliums ablehnend gegenüber stehen.
Ein Bildungsprozess, der sich in einem Horizont von riskanter Weite vollzieht: viele Studierende genießen das, anderen macht das Angst. Manche nehmen an der Universität so viel Abstand von ‚der Kirche’, dass ihnen der Übergang ins Vikariat, das ‚Pfarramt auf Probe’ wie die Versetzung in eine fremde Welt vorkommt. Manche klammern sich an die ‚erlebte Kirche’ ihrer Jugendzeit so verbissen, dass ihnen umgekehrt die ‚Fragekultur’ theologischen Denkens dauerhaft fremd bleibt.
Denn auch das Predigerseminar, das die zweite Ausbildungsphase maßgeblich mitgestaltet, ist kein Kloster. Es fördert die gemeinschaftliche und theoriegeleitete Reflexion der im ‚Pfarramt auf Probe’ gemachten professionellen Erfahrungen, und es ermöglicht geistliches Leben auf Zeit in evangelischer Tradition – und das heißt auch: der individuellen Freiheit, Art und Ausmaß der Teilnahme an den hausüblichen Formen religiöser Praxis selber zu bestimmen.
Was können die Kirchen an Weiterem dazu tun, damit die einzelnen diese Verantwortung wahrnehmen können? Und was sollten sie weiterhin unterlassen?