Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben, denn es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade.
Vergangenheit - Zukunft - Vertrauen. Lassen Sie uns heute abend darüber nachdenken. Also zuerst über Geld.
Legierung ¾ Kupfer ¼ Nickel - Durchmesser 23,5 mm - Dicke 1,75 mm - Gewicht 5,5 Gramm: so aus der offiziellen Beschreibung der Deutschen Bundesbank, liebe Gemeinde -
Sie haben es vor sich, vielleicht vorhin auch schon in Gedanken eingesteckt: 1 Stück D-Mark. Nehmen Sie es nur mal zur Hand, das Allerbekannteste und Gewöhnlichste, unser Geld. Betrachten Sie es, fühlen sie es an. Erinnern Sie sich. Unser Geld, Ihr Geld.
Was haben wir nicht alles damit erlebt, was haben wir damit nicht schon gemacht! In den Schlitz von Fahrkartenautomaten gesteckt. Einkaufswagen im Supermarkt losgeeist. Uns gefreut, wenn wir mal eins auf der Straße gefunden haben, ha. Geld. Erinnern Sie sich, wann Sie’s mal gebraucht hätten, und es war einfach nichts da, oder nicht genug? Derlei Situationen gab’s bestimmt, manchmal peinlich, manchmal auch richtig schlimm. Und erinnern Sie sich, wann Sie’s hatten, vielleicht sogar reichlich davon, und Sie hätten’s dran geben mögen noch und noch - und es hat nichts genützt? Weil es auf etwas anderes ankam als auf Geld... Erinnerungen, die schmerzlich sind und die wir lieber versenken ins Vergessen.
Tja, unser Geld. Alltäglich wie nur etwas, wie gesagt. „Ohne Moos nichts los”, kennen wir ja, Redensarten über Redensarten, die die Wahrheit sagen über unser Verhältnis zum Geld. Manche kommen immer wieder auf die Wahrheit zurück „Geld macht nicht glücklich”. Und sie denken dabei an den gutverdienenden Cousin zum Beispiel, der mit seiner Frau nichts als Kummer hat wegen der Kinder, aus denen gar nichts Rechtes werden will. Andere wiederum wissen das Sprüchlein vom Geld noch zu ergänzen und sagen „aber es beruhigt so schön”. Naja, brauche ich wohl nicht zu erläutern. Aber ich denke: beide Sorten Sprüche übers Geld sind Redensarten von Leuten, die’s haben, und sie gehören in eine Zeit, in der Wohlstand das Normale ist. Also in unsere, mal ehrlich, nicht wahr?
Und das wiederum hat zu tun mit dem Geldstück, das Sie vor sich haben. Mit der D-Mark. Das war ja nicht immer so, und (wie wir alle wissen) hat es mit der D-Mark nun sein unwiderrufliches Ende.
Meine Eltern haben mir allerhand erzählt, gelesen habe ich eine Menge, auch Filme gesehen - und manche von den Älteren hier könnten das aus eigener Erinnerung hervorholen: wie das war, als es die D-Mark noch nicht gab. 1947, Hungerwinter, 1948! Als es nichts so ohne weiteres gab, was man zum Leben brauchte, Brot und was drauf kärglich zugeteilt wurde auf Lebensmittelkarten, Kleidung nicht zu kaufen war, ehrenwerte Leute nachts zum Kohlenklauen auszogen, als die Deutschen sich im Tauschhandel üben mussten auf dem Schwarzmarkt...
Wer diese Erinnerungen an die „schlechte Zeit” damals nicht hervorholen kann (wie z.B. unsere Jugendlichen im Konfirmandenalter): der hat es schwer zu verstehen, wieso viele Menschen hierzulande mulmige Gefühle haben beim verordneten Abschied von der D-Mark. Mulmige Gefühle jedenfalls so im Untergrund, selbst wenn das Mundwerk Witze macht und man sich auf die praktischen Probleme mit dem Euro einrichtet und dem andauernden Umrechnen erstmal.
Den Älteren hier wird es einfallen: 40 D-Mark Kopfgeld für jeden am 20. Juni ‘48 gab’s - und dann ging es wieder aufwärts. Schaufenster und Regale füllten sich wieder, neue Geschäfte machten auf, es gab neue Perspektiven nach dem verlorenen Krieg und all dem Kaputten. Es breitete sich das Gefühl aus im deutschen Volk „Wir sind wieder wer”.
Die Einführung der D-Mark: ein Lehrstück dafür, wie Vertrauen in die Zukunft entsteht. Ein Grundgefühl, das über 52 Jahre lang den gewöhnlichen Alltag in unserem Lande bestimmt hat. Kein Wunder, dass das berührt ist, wenn jetzt der verordnete Abschied von unserem vertrauten Geld ansteht. Denn (ob wir’s wahrhaben wollen oder nicht) das hat uns die D-Mark in Fleisch und Blut übergehen lassen: anständiges „Geld” ist ein Ausdruck von Zukunftshoffnung und Lebensmut. Und es erinnert uns daran: „Vertrauen” ist ein unverzichtbares Mittel zum Leben. Ebenso notwendig wie handgreifliche Lebensmittel - und ebenso anfällig wie die, anfällig gegen Austrocknen, Verschimmeln, Verderben...
Reden wir weiter vom Vertrauen. „Ach wissen Sie, Herr Pfarrer” - so höre ich manchmal - „ach, wissen Sie, ich glaube nur was ich sehe”. Das kommt dann daher als vermeintlich kühnes Bekenntnis einer realistischen Lebenseinstellung, realistischer als die ewigen Erwartungen, die ‘der Kirche’ unterstellt werden, Menschen müssten dies und jenes glauben, was aber alles gar nicht zu greifen ist. Kommt vor. Ich denke mir dann - und, je nach Situation, spreche ich’s auch aus: ‘Ach lieber Mensch, wenn du wüsstest... . Das kannst du im Ernst nicht so meinen. Nein, kannst du gar nicht’. Denn: Leben, eines jeden Menschen Leben ist weit mehr als man sehen kann. Kein Mensch kann sein Leben bestehen, ohne sich auf vielerlei zu verlassen, was er weder greifen noch sehen kann. Da braucht man nur an die menschlichen Beziehungen zu denken, in denen wir uns befinden. Da spielen Versprechen eine Rolle (und wir müssen nicht bloß an das große Versprechen denken, das bei der Trauung in Worte gefaßt wird) - und es gibt Treue - und Enttäuschungen, und (wenn’s gut geht) auch Vergebung. All das menschliche Möglichkeiten, ganz natürlich, auf die wir setzen, auf die wir uns verlassen, ohne die wir unser Leben nicht führen können. Kann man alles nicht sehen und greifen - und ist doch lebensnotwendig.
Und das Geld (wo wir davon schon angefangen haben zu reden) ist das beste Beispiel. Nehmen Sie das Markstück vor sich: Für sich genommen nur ein Metallplättchen mit Mustern drauf, vorne und hinten. Dass Sie es eintauschen können gegen etwas, was Sie essen oder trinken können zum Beispiel - das ist ihm nicht anzusehen. Und doch ist es so. Nämlich weil Sie es glauben und vor allem weil die Menschen um Sie herum diesen Glauben teilen.
Wer Geld vorzeigen kann, der hat „Kredit”. Ein sprechendes Fremdwort - es bedeutet: Beweis der Vertrauenswürdigkeit. Ein Geldstück oder ein Geldschein wären nichts anderes als Blechplättchen oder bedruckte Bilderzettel, wenn sie nicht dieses unsichtbare System von gegenseitigem Vertrauen sichtbar und greifbar machen würden, ohne das wir in unserer unüberschaubar gewordenen Welt nicht leben könnten. Zumal wir die allermeisten Menschen gar nicht persönlich kennen können, ohne deren Arbeit, ohne deren Beitrag zum gemeinsamen Überleben wir alsbald verhungern und erfrieren würden.
Wer Geld vorzeigen kann, der beweist: ich habe einen persönlichen Beitrag zur Entstehung des gesellschaftlichen Reichtums geleistet, und ich habe darum Anspruch auf die Einlösung des Versprechens der Gesellschaft, dass ich in entsprechendem Umfang diesen gesellschaftlichen Reichtum auch zehren darf - egal ob 10 Pfund Brot oder eine CD oder ein Restaurantbesuch oder ein paar Ohrringe oder...oder... . So oder noch ein bißchen komplizierter würden es Ökonomen ausdrücken. Für uns genügt es zu verstehen: Ohne dieses Grundversprechen und ohne das Vertrauen, dass das auch regelmäßig eingehalten wird - ohne das ist gar kein Leben möglich. Schon im rein physischen Sinne nicht.
So viel nur mal zum Thema „ich glaube nur, was sich sehe”...
Aber wir wissen natürlich auch alle: Vertrauen ist mehr als Geld und Gut. Inflation kann das empfindliche Netz des Versprechens gegenseitiger Hilfe zum Leben zerreißen - eine nationale Katastrophe, wie Ältere erfahren haben und wie wir’s gerade wieder über Argentinien berichtet bekommen. Und wer aus Angst davor ‘in Sachwerte flüchtet’ (wie man so sagt), um sein Überleben zu sichern, ein Häuschen baut, Lebensmittel hortet oder gleich selber im Garten zieht, Grundstücke kauft oder Goldbarren ins Schließfach legt - der weiß trotzdem: auch die können zugrunde gehen, verderben vernichtet werden - Brände und Überschwemmungen, Verbrechen und Krieg lauern allemal.
Wenn es das Geld nicht ist und letztlich die lebensdienlichen Dinge auch nicht: auf was können wir uns denn dann verlassen? Denn etwas zum Sich-drauf-verlassen braucht der Mensch doch, oder? Da sind es die menschlichen Beziehungen zu unseren nächststehenden Menschen, zu Eltern, dem besten Freund / der besten Freundin, Ehepartner / -rin. Gar kein Zweifel. Die können einen über Abgründe hinwegtragen, vor Abstürzen bewahren und noch aus dem Graben ziehen, in den einer trotz allem gefallen ist. Aber auch da gibt es Enttäuschungen: ‘Ich liebe dich nicht mehr’ sagt (zum Beispiel) der Mann zu seiner Frau nach 5 Jahren Ehe; ‘eigentlich war da überhaupt nie was - ich weiß nicht - ich habe mich wohl getäuscht’. Ein Beispiel nur dafür, wie eine Vertrauenskrise einem den Boden unter den Füßen wegziehen kann. Ich fürchte, Ihnen fallen noch weitere ein.
Wem so was passiert, der wird am liebsten gar nichts und niemandem mehr glauben wollen. Aber geht das eigentlich: sich nur noch auf die eigenen Kräfte verlassen, auf niemand anders sich mehr angewiesen vorkommen wollen, all das mit Glauben und Vertrauen einfach vergessen? Geht das? Und wenn so ein Versuch zu leben auch nur eine Selbsttäuschung ist, was bleibt dann?
Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben, denn es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade.
Das Bibelwort für den heutigen letzten Abend des alten Jahres erinnert an die große Alternative. Erinnert daran, dass aus der Sache mit dem Vertrauen als unentbehrlicher Lebensgrundlage erst umgekehrt ein Schuh wird. Es erinnert nämlich an die Treue, mit der Gott zu uns hält: gestern, heute, auch in Ewigkeit. Das ist die Vertrauensgrundlage, die uns leben lässt, ohne dass wir wissen was kommt: leben und gedeihen / vom alten bis zum neuen / durch so viel Angst und Plagen, / durch Zittern und durch Zagen, / durch Krieg und große Schrecken, / die alle Welt bedecken.
Unter all den Sicherheitsnetzen, die Menschen sich selber so aufspannen können gegen die Absturzgefahren im Leben und die selber so störungsanfällig sind - unter all dem wird unser Leben getragen von dem Vertrauen, das Gott in uns setzt gestern, heute, auch in Ewigkeit.
Und es ist ein wahrhaft rückhaltloses Vertrauen, das Gott in die Menschheit setzt: wir können’s wissen, seit er mit Haut und Haaren selber ein Mensch geworden ist: Gottes Kind, das verbind’t sich mit unserem Blute... Jesus mit Namen, gelebt, gestorben und zum guten Schluss doch nicht auf Dauer totzukriegen.
So ist Gottes Vertrauen in die Menschheit und in einen jeden, eine jede von uns allen: er betrachtet uns in dem Licht, das seit Jesus die Welt erleuchtet.
Wissen wir ja: auf die Betrachtungsweise kommt es an, beim Vertrauen: Sieht aus wie ein Blechplättchen, gilt aber in echt 1 Mark wert, die uns zum Leben dient. Mein Freund benimmt sich gemein, so dass andere sagen ‘Lass ihn sausen!’, aber ich halte an ihm fest und verlasse mich drauf, dass es wieder gut wird.
So ist das mit dem Vertrauen: Es bestätigt nicht einfach, was zu sehen und zu greifen ist. Im Gegenteil: Obwohl es keinen Grund hat in dem was am Tage liegt, nimmt es vorweg, was in Zukunft herauskommen soll.
Vertrauen bedeutet: ‘zurechtglauben’, was heute da ist, in der festen Überzeugung, dass es am Ende auch so herauskommt.
So steht es zwischen Gott und uns: Würde er uns nur so betrachten wie wir sind, oft treulose Tomaten und unzuverlässige Bundesgenossen, dann würde er uns bloß zerkrümeln lassen in den Mühlen des Lebens. Aber er nimmt uns immer zusammen mit Jesus Christus, Doppelpack sozusagen, und drum lässt er uns leben mit ihm als seine eigenen Töchter und Söhne - lässt uns leben, selbst wenn wir noch sterben müssen.
Zugegeben: Für Leute, die nur glauben wollen, was sie sehen, klingt das alles abenteuerlich. Und garantiert kann man sich diese Einstellung zum Leben nicht selber beibringen. Die können wir uns nur schenken lassen, einfach so - und darum bitten, dass uns passiert, was das Bibelwort so ausdrückt: dass das Herz fest werde...
Für die Schritte hinein in die Unsicherheit über das was kommt, kann es eine bessere Grundlage gar nicht geben, denke ich. Denn auf diesem Grunde kann unsereins freier umgehen mit all den Vertrauenserfordernissen des täglichen Lebens und mit den Enttäuschungen, die nicht ausbleiben werden unter Menschen auf Erden; kann gelassener sein bei den Abschieden und den lebensnotwendigen Neuanfängen.
Sie können’s gleich ausprobieren, mit einer ganz leichten Übung. Das Markstück, das Ihnen am Eingang in die Hand gedrückt wurde (Sie haben’s ja nicht mitgebracht): geben Sie’s nur ab in die Sammelteller am Ausgang und tun Sie vielleicht noch das eine oder andere von den Blechplättchen oder Bildchen dazu, die die Zeit ihrer Vertrauenswürdigkeit gehabt haben - Sie können’s ja bald nicht mehr brauchen, und dort zusammengeworfen wird es sich verwandeln in „Brot für die Welt”, Zukunftsaussicht für solche, die mit mehr Sorge auf 2002 blicken als wir.
Amen.